Und fuehre uns in die Versuchung
einigen anderen zeichnete sich Abscheu ab. Wie wohl auch bei Mathilda. Sie warf einen Blick auf Katharina, die mit trotzig vor der Brust verschränkten Armen, und betont gleichmütigem Gesicht auf ihrem Platz saß. Sie strahlte keinerlei Angst aus. Ganz im Gegensatz zu Mathilda, die vor Panik schwitzte.
Doch Mutter Örtlerin schien einen anderen Plan zu haben. Sie beachtete die an der Rückwand des Schrankes aufgehängten Geißeln gar nicht, sondern griff an die Seitenwand des Schrankes, wo sie etwas von einem Haken nahm, unter ihr Skapulier steckte, sich umdrehte und auf Katharina zuging.
„Katharina Greulichin.“ Fünf Schritte vor Katharina blieb sie stehen. „Ich frage dich hiermit: Entsagst du dem Luthertum und schwörst diesem Konvent die Treue, die er verdient?“
„Die Treue, die ihr hier alle verdient? Aber gerne!“ Katharina hatte sich kerzengerade hingestellt. „Was Martin Luther und Oekolampadius angeht jedoch – wie soll ich dem entsagen, was mir aus dem Herzen spricht?“
„Nun gut“, Mutter Örtlerin zog ihre Hand unter dem Skapulier hervor und hielt einen Schlüssel hoch.
„Ihr, Greulichin, zwingt mich, zum Schutz des ganzen Konvents, ein Exempel zu statuieren.“
Nicht nur Mathilda hielt die Luft an. Was kam jetzt?
„Hiermit verurteile ich Euch, Katharina Greulichin, Chorfrau des Birgittenklosters zu Altomünster, zu Klosterkerkerhaft, bis Ihr Euch entweder vom Luthertum lossagt und der Kirche zuwendet – oder sterbt!“
Katharina sollte in den Kerker? Das war – Mathilda blieb der Schrei in der Kehle stecken – das war fürchterlich!
„So frage ich dich hier und jetzt zum letzten Mal: Entsagst du der Häresie des Luthertums und wendest dich der einzig wahren Kirche zu? Schwörst du einen heiligen Eid, dieses Kloster niemals zu verlassen?“
Katharinas Gesicht war und blieb völlig versteinert. Sie schwieg.
„Nun gut. Um einerseits der Fluchtgefahr zu minimieren und andererseits den negativen Einfluss zu unterbinden, den Eure Anwesenheit auf Eure Mitnonnen hat, werden Euch jetzt Schwester Öflerin und Schwester Steudlin hinunterbringen und in den Kerker sperren.“
„Nein!“ Endlich kam wieder Leben in Mathilda. „Das könnt ihr nicht tun. Ihr könnt Katharina nicht einsperren. Sie ist doch keine Verbrecherin!“
„Aber ssie will fliehen“, schrie die Schönin zur Antwort.
„Du dumme Kuh hast doch gehört, dass sie ohne Elisabeth nirgendwohin gehen wird!“ Mathilda war jetzt außer sich. „Schickt Katharina dann doch wenigstens fort, wenn ihr sie nicht mehr hier bei euch haben wollt. Wenn ihr sie wegschickt, muss sie gehen!“
„Damit sie draußen ihr häretisches Werk weiter verrichtet? Damit sie unguten Einfluss nimmt auf unschuldige Menschen?“
Ottilia Öfler hatte sich neben die Äbtissin gestellt und funkelte Mathilda aufgebracht an. „Was Mutter Örtlerin hier tut, ist Gottes Werk. Er will die Gefahr des Teufels“ und damit wies sie auf Katharina, „der in Gestalt dieser Nonne unter uns gelebt hat, bannen!“
Mit diesen Worten packte sie Katharina am Arm. „Ab mit dir!“
„Fasst sie nicht an“, brüllte Mathilda.
Sie schlug nach den Händen, die sofort nach ihr griffen und an ihr zerrten. „Katharina ist nicht der Teufel!“
Jemand presste ihr eine Hand auf den Mund. Andere Hände hielten sie, dass sie sich nicht mehr wehren konnte. Und so musste sie mit ansehen, wie Katharina, flankiert von zwei Schwarzschleiern, mit hocherhobenem Kopf aus dem Kapitelsaal schritt.
Wieder wollte sie losschreien, wehrte sich gegen den Griff, in dem sie steckte, hörte aufgebrachte Stimmen schreien:
„Steckt sie doch gleich mit dazu!“ – „Weg mit ihr, sie macht doch auch nur Schwierigkeiten, ist ebenfalls eine Ketzerin!“ – „Schlagt ssie!“
Dann ein lauter Krach von zerberstendem Holz, der das wütende Geschrei rings um Mathilda verstummen ließ. Hände ließen von ihr ab und sie konnte sehen, dass die Äbtissin vor ihrem zerbrochenen Thron stand. Hatte sie den etwa angehoben - und zu Boden geworfen?
„Bringt sie in ihre Zelle und wacht darüber, dass sie darin bleibt!“
Diese Worte galten ihr. Das wurde noch klarer, als sich die scheußliche Schönin begeistert äußerte: „Dass mach ich.“
Und dann wurde Mathilda auch schon gepackt und weggezogen.
„Du kommsst am bessten freiwillig mit, ssonsst kriegsst du von mir die Schläge, die du verdiensst.“
Das wirkte – und Mathilda wehrte sich nicht mehr. Die Schönin würde zuschlagen
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