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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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machte einen aufgeregten Satz. Mutter Örtlerin sollte sprechen. Wer war mit Heussgen geflohen? Konnte sie das fragen oder war das zu verfänglich?
    „Wer ist noch weg?“
    Gott sein Dank – die Priorin. Wenn die Öflerin eine solche Frage stellte, war das auf alle Fälle in Ordnung. Wer stand ebenfalls noch auf Seiten Heussgens? Voller brennendem Interesse konzentrierte sich Mathilda auf die Äbtissin, die sich sichtlich wand.
    „Zwei der Laienbrüder und ein Novize“, antwortete sie schließlich. „Das ist zwar tragisch, aber die jeweiligen Brüder sind entbehrlich.“ Sie schwieg und legte die Hände mit einer resignierten Geste in den Schoß.
    Ein Novize – Georg oder Hartwig – und zwei Laienbrüder. Mathilda nickte gedankenverloren. Es musste sich um Hartwig handeln. Der war ja fast Heussgens Schüler und ihm sichtlich zugetan gewesen.
    Mitten in die Stille hinein ging die Kapitelsaaltüre auf. Elisabeth, gefolgt von der Infirmarin, kam herein. Beide huschten zu ihren Plätzen.
    Das war eigenartig. Warum wurde Schwester Waczenriederin aus dem Krankensaal geholt? Was sollte hier Wichtiges geschehen, dass sogar die Kranke allein gelassen werden musste?
    Wieder wurde das Schweigen erst durch die Stimme der Äbtissin unterbrochen, die nun von ihrem Platz aufstand und in theatralischer Geste die Hände rang.
    „Johannes Heussgen, auch genannt Hausschein oder Oekolampadius, hat uns alle getäuscht und insgeheim häretisches Gedankengut hierher gebracht. Wer weiß, vielleicht steht er sogar in Kontakt mit dem Gehörnten.“
    Entsetztes Stöhnen setzte ein, wie immer bei diesem Thema. Mutter Örtlerin, die damit gerechnet haben musste, legte eine Pause ein, ehe sie erneut, und diesmal in eindringlichem Ton zu sprechen begann: „Ich möchte, dass eine jede sich jetzt prüfe, wie sie zu Lampad steht. Ob sie von seinen ketzerischen Reden sich hat verführen lassen oder gar selbst Fluchtgedanken hegt. Und dann möchte ich, dass sich diejenige vor Gott“, und damit wies sie auf den Altar hinter sich, „äußere und in seinem Angesicht ihre Verführung zugebe. Damit sie bereuen kann und Sühne tun. Damit wir alle hier der häretischen Gefahr die Stirn bieten können. Denn wir müssen uns vereinen gegen die Ketzerei und damit das Böse, das bei uns Einzug gehalten hat. Bedenkt: Nur gemeinsam sind wir stark genug, den Teufel, der hinter jedem Eck lauern kann, zu besiegen.“
    Mathilda sah, wie Edeltraud die Hände vors Gesicht schlug und zu schluchzen begann. Auch die Schönin wirkte zur Abwechslung einmal wirklich geschockt. Mit angespannten Lippen saß sie da und stierte Mutter Örtlerin an.
    Stimmen wurden laut: „Wie geht es jetzt weiter?“ – „Besteht Gefahr für uns?“ - „Wer wird uns schützen?“
    Mathilda, die mit ganz ähnlichen Fragen beschäftigt war, deren Antworten jedoch keinesfalls von der Äbtissin kommen würden, sah zu Katharina. Doch die hatte den Kopf in die andere Richtung gewandt, ganz dorthin konzentriert. Mathilda folgte ihrem Blick – und entdeckte Elisabeth, die zusammengekauert auf ihrem Platz saß und sich mit geschlossenen Augen hin und her wiegte. Was war mit ihr? Hatte sie Angst, weil ihre Flucht sich für heute vereitelt hatte?
    Mathilda erkannte mit Schrecken, dass die sich bisher oft als wankelmütig gezeigte Elisabeth völlig alleine war mit ihren Gefühlen. Sie, Mathilda, hatte Katharina neben sich, mit der sie zwar nicht reden, jedoch Handzeichen und Blicke tauschen konnte. Das half ihnen, sich wieder abzuregen. Hoffentlich hielt Elisabeth durch!
    Genau diese Gedanken schien Katharina auch zu haben, denn sie starrte voller Konzentration zu Elisabeth. Als könnte sie sie damit beruhigen.
    Doch die wirkte völlig unerreichbar. Ganz in sich gekehrt und elend saß sie da, die Arme um sich geschlungen, und zitterte.
    „Gott wird uns schützen.“ Die Äbtissin hatte sich in Marsch gesetzt und schritt die Reihen der Nonnen ab. „Er wird uns die Stärke geben, uns gegen die Versuchungen des Teufels zu wehren. Er wird uns die Kraft geben weiterzumachen.“
    Sie wurde lauter.
    „Seine segnende Hand liegt über unserem Konvent und er ruft uns zu: 'Habt Mut, liebe Schwestern in meinem Namen, ich führe euch aus dieser Krise. Erliegt nicht der Versuchung, seid stark. Knüpft ein treues Band zu eurem Glauben, dann kann euch kein Ungemach treffen!'“
    Ihr Blick glitt triumphierend in die Runde. „Habt ihr das gehört? Gott wird verhindern, dass der häretische Fluch über uns

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