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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Kloster bewegen. Auch wenn das in ihrem Fall nur bedeutete, in den Krankensaal zu gehen und ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Könnte Mathilda doch nur an ihrer Stelle sein und von hier verschwinden!
    „Schwester Wintershofferin.“
    Die dickliche Chorfrau trat zum Altar, kniete sich hin und beantwortete die gleichen Fragen mit den gleichen Antworten, wie zuvor schon die Infirmarin.
    Ein Ritual. Hier wurde lediglich ein Ritual durchgeführt, keine Prüfung. Einfach nur nicken und Ja sagen, mehr nicht. Erleichtert darüber lehnte sich Mathilda zurück. Wenn sie an der Reihe war, würde sie zwar lügen müssen, aber das ließ sich nun einmal nicht vermeiden. Angesichts dessen, was sie vorhatte, war diese Lüge schließlich nur eine Kleinigkeit.
    Mit nachlassendem Interesse verfolgte sie, wie Nonne um Nonne vortrat und die beiden Fragen mit den immer gleichen Antworten bedachte. Ihre Gedanken kreisten wieder um Arno und die Tatsache, wie sie nun ihre gemeinsame Flucht bewerkstelligen sollten. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit erst wieder auf das Geschehen im Kapitelsaal, als Katharina plötzlich nach ihrer Hand fasste und sie presste.
    „Schwester Jordanin.“ Mutter Örtlerins Stimme.
    In Elisabeth, die noch immer zusammengekauert auf ihrem Platz gesessen hatte, kam Leben. Sie sah auf – erstaunt, fand Mathilda – als hätte sie gar nicht gemerkt, dass sie nun an der Reihe wäre. Dann jedoch nickte sie, stand langsam auf und ging nach vorn. Dabei wandte sie den Kopf, sah zu Mathilda und Katharina. Sie war weiß wie die Wand. Ihre Augen bohrten sich in Katharinas, ihre Lippen formten lautlose Worte. Dann war sie vorn angekommen, nickte noch einmal fast feierlich, um sich schließlich dem Altar zuzuwenden, sich hinzuknien und die Hände zu falten. Sie war nur noch von hinten zu sehen, dennoch bemerkte Mathilda das Beben ihrer Schultern. Weinte sie?
    Katharina stöhnte und presste Mathildas Hand fester.
    „Bist du bereit, alleine Gott deine bedingungslose Treue zu schwören, ihm hingebungsvoll zu dienen und das Kloster nimmer zu verlassen?“
    Die Stimme der Äbtissin klang inzwischen schon ein wenig gelangweilt.
    Selbst von hinten war zu erkennen, dass Elisabeth um Worte rang. Dennoch sagte sie nichts.
    „Sag, 'Das bin ich'“, raunte Katharina neben Mathilda. „So lüg doch!“
    „Ich ...“, begann Elisabeth, „bin leider nicht rein.“
    Sie wandte ihr Gesicht zur Äbtissin. “Ich muss erst beichten, denn ich habe gesündigt und kann meine Treue nicht schwören.“
    Katharina schüttelte verzweifelt den Kopf. „Du sollst lügen“, forderte sie leise. „Bitte!“
    Jetzt presste Mathilda ihre Hand. Katharina sollte lieber ganz still sein.
    „Was willst du damit sagen?“, fragte die Äbtissin, die sichtlich einen Moment brauchte, um zu erfassen, dass der Ablauf ihres Rituals durcheinandergeraten war.
    „Ich habe gesündigt in Gedanken, Wort und Tat“, erläuterte Elisabeth. „Ehe ich Gott meine Treue schwören kann, muss ich beichten und sühnen.“
    „Himmel, Jordanin“, sagte Mutter Örtlerin und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Könnt Ihr nicht einmal darauf verzichten, Euch anzuklagen? Eure Sünden haben doch mit diesem Treueeid nichts zu tun.“
    Doch sie hatte ihre Rechnung ohne Elisabeth gemacht. In die kam jetzt Leben und sie wandte sich zur Äbtissin um: „Mit Verlaub, ehrwürdige Mutter. Wenn ich sage, dass ich in Gedanken, Wort und Tat gesündigt habe, dann bezieht sich diese Anklage selbstverständlich auf das geforderte Treuegelübde. Ehe ich es erbringen kann, muss ich meine Sünden beichten. Denn sonst gilt ein solches Gelübde nichts und kommt einer Lüge gleich.“ Sie wandte den Kopf wieder nach vorn, zum Altar. „Und Ihr wisst sehr gut, dass ich nicht lügen kann.“
    Katharina schluchzte laut auf.
    Mathilda riss an ihrer Hand. „Das ist doch viel besser, als wenn sie widerstandslos den Treueeid geleistet hätte. Jeder hier kennt doch Elisabeth.“
    Doch Katharina schüttelte den Kopf. „Das verstehst du nicht.“
    Mutter Örtlerin sah einen Moment zu ihnen herüber, runzelte missbilligend die Brauen , wandte sich dann aber wieder Elisabeth zu. „Ihr sollt überhaupt nicht lügen. Aber ich sagte doch schon ...“
    Mathilda sah, wie Elisabeth den Mund öffnete, um der Äbtissin ins Wort zu fallen. Doch Katharina war schneller:
    „Sie kann den Treueeid nicht leisten, weil sie nicht nur Gott liebt!“
    Jetzt stöhnte Mathilda vor Entsetzen und riss an Katharinas Hand.

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