Und fuehre uns in die Versuchung
kommt. Wir werden zusammenbleiben und gemeinsam der Versuchung widerstehen!“
Nun richtete sie ihre Augen zur Saaldecke, hob die Arme und rief mit verzücktem Lächeln: „ER, der immer mit uns ist, will unsere Demut und unser Vertrauen. ER will von uns hören, dass wir IHM dienen und IHN ehren bis ans Ende unserer Tage. Dann will ER uns seinen Segen geben und verhindern, dass wir versucht werden!“
Sie senkte Augen und Arme und sagte mit milder Stimme: „Nun beginnt, ihr lieben Schwestern im Herrn. Bestätigt eure Demut und Liebe. Bekennt euch zu Gott. Tut es jetzt, einzeln, laut und deutlich.“
Dann kniete sie sich selbst hin, reckte ihre gefalteten Hände zum Altar und rief inbrünstig: „Gott, ich bin deine demütige Dienerin. Ich widerstehe der Versuchung durch den Ketzer und erneuere meine Gelübde. Nur dir will ich dienen – hier, in diesem Kloster, das ich nimmermehr zu verlassen gedenke, bis ans Ende meiner Tage.“
Sofort sank Schwester Öflerin auf die Knie, ihre Hände ebenfalls zum Altar gestreckt. „Ich beteuere, auf ewig die Braut Christi zu sein, unerreichbar für alle Versuchungen.“
Zögernd folgten einige Nonnen, sanken zu Boden und begannen zu murmeln. Mathilda und Katharina jedoch blieben sitzen. Wie Elisabeth auch.
„Gott steh uns bei!“ – „Ich will hierbleiben!“ – „Schütze mich vor dem Teufel!“ – „Nimm die Gefahr von uns!“
Doch Mutter Örtlerin schien auch das nicht zu reichen. Sie sprang auf die Füße, wandte sich um und schrie: „Jede Einzelne von euch soll sich erneut Gott weihen und ihm ihre Treue schwören! Jede Einzelne soll hier vor den Altar treten und ihre Gelübde erneuern! Erst dann wird Gott aufhören uns zu zürnen und seinen Segen erteilen!“
Mathilda sah ihre Freundin bestürzt an. Was geschah hier?
Doch ihre Aufmerksamkeit wurde von Mutter Hutterin abgelenkt, die mit angstverzerrter Stimme rief: „Mein Gott, schütze uns. Nimm deinen Segen nicht von uns, vertreibe die Gefahr durch die Ketzerei aus unseren Reihen. Ich will dir immer eine demütige Dienerin bleiben!“
Mutter Klöblin legte sich auf den Boden, breitete bäuchlings ihre Arme aus und stöhnte: „Ich bin dein, allein dein, mein Gott. Niemals will ich dich verlassen, und ich flehe dich an, verlass auch du mich nicht!“
„Du mein gütiger Gott, verhindere, dass ich versucht werde. Lass mich rein bleiben, damit ich dein reines Antlitz nicht besudele!“ Schwester Steudlin hatte sich neben sie gelegt und schrie mit sich überschlagender Stimme. „Wende ab die häretische Gefahr. Banne den Gehörnten, der bereits vor der Türe steht!“
Das zeigte Wirkung. Alle, die soeben noch erregt gesprochen oder gerufen hatten, schwiegen geschockt. Mathilda konnte einige Nonnenköpfe sich raschelnd zur Türe wenden sehen, konnte Anspannung und Entsetzen in den Gesichtern erkennen. Befürchteten sie tatsächlich dort den Teufel?
Mutter Örtlerin jedenfalls wusste das Schweigen zu nutzen: „Ich werde jetzt jede von Euch einzeln aufrufen. Ihr werdet vor dem Altar kniend Gott Eure Treue schwören und somit Eure Gelübde erneuern.“
Sie sprach nicht mehr so laut und erregt, wirkte insgesamt wieder ruhiger. Als sich Schwester Steudlin anschickte aufzustehen, fügte sie rasch hinzu: „Ihr, aber auch Mutter Hutterin, Mutter Klöblin und die Priorin habt das Eure bereits getan. Ihr mögt Euch nun hinsetzen. Ich rufe Schwester Waczenriederin auf. Tretet vor.“
Alarmiert hob Mathilda den Kopf. Was kam jetzt? Gelübde erneuern? War das etwas, was in Krisenzeiten immer gemacht wurde, um das Gemeinschaftsgefühl untereinander und die Zugehörigkeit zu Gott zu stärken? Zutiefst verunsichert beobachtete sie, wie die Infirmarin aufstand und zum Altar lief, sich hinkniete und ihre Hände anbetend hob.
„Bist du bereit, alleine Gott deine bedingungslose Treue zu schwören, ihm hingebungsvoll zu dienen und das Kloster nimmer zu verlassen?“, fragte die Äbtissin laut und streng.
„Das bin ich.“ Schwester Waczenrieder nickte eifrig.
„Bist du auch bereit, dein vor Gott und dem Bischof geleistetes Gelübde zu erneuern, dein Leben ganz und gar in den Dienst Gottes zu stellen?“
„Ich bin bereit.“
Mutter Örtlerin winkte der Nonne aufzustehen. „Gott vertraut dir – und ich auch. So gehe wieder an deine Arbeit.“
Daraufhin verließ die Infirmarin den Kapitelsaal und Mathilda konnte nicht umhin, sie zu beneiden. Sie konnte sich jetzt – als Einzige – frei durch das ganze
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