Und fuehre uns in die Versuchung
Möglichkeit zur Beichte. Wann war deine letzte?“
„Vorgestern“, antwortete Mathilda. „Beim Beichtvater unserer Kirche, anlässlich der letzten Einweisungsstunde für meine Aufnahme.“
„Na, dann wird es ja wohl nicht allzu lange dauern“, sagte Schwester Jordanin. „Anschließend kannst du dir deinen 'Himmlischen Bräutigam' auswählen.“
„Meinen – was?“, fragte Mathilda mit Entsetzen in der Stimme. „Ich bekomme doch noch lange nicht die Weihen.“
Die Nonne neben ihr lachte kurz und, wie Mathilda meinte, bitter auf. „Keine Angst. Der himmlische Bräutigam ist alles andere als eine Weihe.“ Sie klatschte in die Hände. „Jetzt hier herauf. Konzentrier dich besser auf den Weg, sonst verläufst du dich, sobald du alleine unterwegs bist.“
Mathilda hätte gerne aufgepasst. Aber Schwester Jordanin machte ganz und gar nicht den Eindruck, als würde sie einen Moment mehr als unbedingt nötig mit ihr verbringen wollen. Deswegen stellte Mathilda lieber all die Fragen, die ihr auf der Zunge brannten. Das Gebäude kennenzulernen, würde sie auch alleine hinkriegen. Hoffte sie zumindest, denn es ging jetzt einen verwirrenden Weg kleiner Treppen, langer und kurzer Flure und verwinkelter Korridore entlang.
„Darf ich wirklich mit niemandem mehr sprechen, außer mit – Euch?“
Schwester Jordanin hatte ihr Zögern anlässlich der Ansprache offensichtlich bemerkt, denn sie nickte gefällig und antwortete: „So ist es.“
Mathilda blieb stehen, fischte nach ihrem Zopf und zog ihn nach vorn. „Was mache ich, wenn ich eine Frage habe und Ihr seid nicht in der Nähe?“
Schwester Jordanin warf ihr einen kurzen Blick zu. „Du bist kein Kind mehr und wirst damit klarkommen.“ Ungerührt ging sie weiter.
Davon war Mathilda ganz und gar nicht überzeugt. Im Moment war sie nicht einmal sicher, ob ihr die karge Auskunftsfreude dieser spröden Nonne reichen würde. Die Vorstellung, mit sonst niemandem sprechen zu dürfen ... Unruhig zwirbelte sie eine Haarsträhne durch die Finger, sah die Nonne davongehen und hastete ihr nach. „Was hat es denn mit diesem Bräutigam auf sich?“, fragte sie, als sie wieder gleichauf ging. „Ich meine, wenn damit nicht Jesus gemeint ist.“
„Ist es schon. Warte es einfach ab“, kam die spärliche Antwort. „Und mäßige deine Schritte. Wir galoppieren und trampeln hier nicht.“
Entmutigt und endlich stumm trottete Mathilda neben ihr her, noch immer, ohne auf den Weg zu achten.
Waren alle Nonnen hier so wortkarg? Machte das ewige Schweigen die Frauen so – ungesellig? Mathilda warf ihrer Begleitung einen langen Blick zu. Alt war diese Nonne wohl noch nicht, sie hatte keinerlei Falten um die Augen, wenn auch zwei tiefe, die sich von der Nase zu den Mundwinkeln zogen. Dadurch wirkte sie verhärmt, als hätte sie viel Kummer auszuhalten – jedoch keineswegs alt. Es war schwer einzuschätzen, weil der schwarze Schleier, der eng um ihren Kopf geschlungen war, fast die Hälfte ihres Gesichts verdeckte. Sie hatte dadurch deutlich Ähnlichkeit mit einer Elster, fand Mathilda.
Als sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Weg lenkte, den sie gerade zurücklegten, waren sie in einen sehr langen Korridor eingebogen, an dem eine Tür neben der anderen lag. Ganz offensichtlich der Zellentrakt.
„Da hinten“, sagte Schwester Jordanin und wies mit der Hand voraus.
„Wie heißt die Äbtissin eigentlich?“, wagte Mathilda endlich wieder eine Frage. Weniger um ihre Neugierde zu stillen. Sie musste die Klostervorsteherin doch irgendwie ansprechen können.
„Mutter Katharina Örtler“, war die knappe Antwort. „Du wirst sie lediglich mit Mutter Örtlerin ansprechen. Aber lass uns nicht vorausgreifen, ich sage dir später noch alle wichtigen Namen. Erst einmal der Tagesablauf.“
„Den habe ich schon gelernt“, sagte Mathilda eifrig.
„Nicht so hastig“, wurde sie rüde unterbrochen. „Du wirst lauschen und schweigen, solange ich spreche.“
Schwester Jordanin wartete einen Moment, bis Mathilda nickte, dann fuhr sie fort: „Wecken ist vor Morgenrauen. Du wirst nur Zeit haben, dich anzukleiden. Danach ziehen wir zu Vigil und Laudes in den Frauenchor. Anschließend gehen wir gemeinsam zurück zur privaten Andacht in unseren Zellen, wo wir unseren Tagesvorsatz fassen. Danach sind Prim und Messfeier, wieder im Chor, an die sich die Vormittagsarbeit, unterbrochen von Tertia und wieder eine Arbeitsphase anschließen. Mittagessen findet dann im Refektorium statt,
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