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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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waren eine Menge lebhafter Gefühle zu erkennen, die von Freude über Begeisterung bis hin zu Euphorie reichten.
    Mathilda hatte also schon wieder eine ganz falsche Frage gestellt. Sie begann zu schwitzen. Wenn sie nicht aufpasste, redete sie sich hier um Kopf beziehungsweise Zopf und Kragen. Verzweifelt sann sie nach einer glaubhaften Begründung ihrer Frage. „Ich meine, um sich mal in Ruhe mit den anderen bekannt zu machen.“
    „Zeit – für dich?“ Die Schönin faltete ihre Hände vor ihrem süffisant verzogenen Mund. Dann stieß sie ein schrilles Kichern aus. „Für Freundschaften etwa?“
    „Nein, nein“, beteuerte Mathilda schnell. „Um das Klosterleben und alle Nonnen kennenzulernen. Ich weiß ja noch nicht einmal ihre Namen.“  
    „Das wirsst du schon“, tätschelte ihr diese schreckliche Frau plötzlich die Hand. „Ganz bestimmt. Im Kapitel.“
     
    Als Mathilda endlich auf der Obstbaumwiese angelangt war, blieb sie einen Moment stehen und nahm das friedliche Bild der weißbeschleierten Pflückerinnen in sich auf, wie sie mit ihren Körben herumliefen und Äpfel pflückten. Von hinten sahen alle ziemlich gleich aus und Mathilda brauchte eine Weile, bis sie Edeltraud ausmachen konnte. Was ihr erst gelang, als die junge Nonne sich ihr zuwandte, sie mit ihren freundlichen Augen anlächelte und dann den Blick wieder senkte.
    Mathilda atmete tief durch, ehe sie sich auf die Gruppe Schwestern rund um Edeltraud zubewegte. Sie war erregt und aufgebracht und gleichzeitig mutlos, wie am Boden zerstört. Konnte diese Schwester Schönratin etwas anders im Sinn haben, als ihr das Leben hier so schwer wie möglich zu machen? Am liebsten wäre ihr, nie wieder ein Wort mit dieser Frau wechseln zu müssen.
    Sich jeden Gedanken an das nächste Treffen aus ihrem Gedächtnis wischend, lief sie auf Edeltraud zu.
    „ Du kommst aber spät.“  
    Mathilda nickte grimmig. „Schwester Schönratin hat mich aufgehalten.“
    „ Deine Mentorin?“ Die Laienschwester sah sie prüfend und fragend an: „War es nicht gut?“  
    „ Nicht gut?“, lachte Mathilda bitter auf. „Es war katastrophal!“ Mit ein paar Sätzen berichtete sie, wie das Gespräch mit der Schönin gelaufen war.  
    „ Vielleicht müsst ihr nur ein wenig zusammenfinden.“  
    „ Nein“, schüttelte Mathilda den Kopf. „Sie hat Freude daran, mir Verbote zu erteilen. Mit der kann ich nicht zusammenfinden.“  
    „ Das ist schade“, sagte Edeltraud und sah in der Tat sehr betroffen drein. „Vielleicht wird es besser, wenn du nur ein wenig Geduld hast.“  
    „ Magssst du Schwesster Schönratin?“, ahmte Mathilda das markante Zischen der älteren Nonne nach.  
    „ Nicht direkt“, gab Edeltraud ernsthaft zu, Mathildas Ironie außer Acht lassend. „Ich bemühe mich zwar, mag es aber gar nicht, dass sie im Kapitel ständig Anklage erhebt.“  
    „ So wie vorgestern bei Katharina?“  
    „ Mit der hat sie es ganz besonders. Ich glaube, sie lauert nur darauf, dass Schwester Greulichin eine Regelübertretung begeht“, bestätigte Edeltraud. „Pass auf, dass sie es bei dir nicht auch so macht.“  
    Mathilda nickte, hatte aber das Gefühl, dass es dafür bereits zu spät war. Niedergeschlagen holte sie sich einen Korb und begann mit der Arbeit.
     
    Nach Tertia wurde wieder zum Baumwechsel gerufen und die Mönche zogen an ihnen vorüber. Mathilda entdeckte Georg und lächelte ihm zu, während er schüchtern die Hand hob und winkte. Dann war er schon vorüber.
    Heute Nachmittag würde wieder Unterricht sein, die beste Zeit des Tages. Mathilda begann, sich sehr darauf zu freuen.
    Die kleine Klosterglocke bimmelte eifrig und verkündete damit, dass die Arbeitszeit beendet war. Mittagessen stand an. Mathilda, die heute nicht sehr hungrig war, hatte es weniger eilig als die anderen Nonnen. Sie fiel ein Stück zurück. Am liebsten wäre sie noch ein wenig hiergeblieben – und dann gleich zum Unterricht gegangen statt ins Refektorium, wo nach dem Essen wieder eine Stunde Knien und Beten auf sie wartete. An dieser Bestrafung war sie selbst schuld. Doch sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass in Zukunft ihre Mentorin ganz genau aufpassen würde, wann sie sich der nächsten Verfehlung schuldig machte. Allein um sie zu enttäuschen, würde sich Mathilda zusammenreißen.
    „ Magst du?“  
    Erstaunt hob Mathilda den Kopf. Die männliche Stimme war von hinten gekommen. Es war Georg, inzwischen gleichauf mit ihr. Verstohlen reichte er ihr

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