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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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sie wieder rein war, genau darauf achten, dass sie sich nichts mehr zuschulden kommen lassen würde. Das war auch in Hinblick auf die hinterhältige Schönin mehr als notwendig.
    „Na, was ist? Bist du hier versteinert?“, bekam Mathilda einen Stoß in den Rücken. Katharina stand neben ihr. „Sieh zu, dass du mitkommst, sie stellen sich schon auf für den Zug zu Vesper im Frauenchor.“
     
    Vollkommen erschöpft ließ Mathilda sich nach Komplet auf ihr Bett fallen. Das Gefühl war den restlichen Tag nicht vergangen. Unendlich fremd war sie sich vorgekommen, fremder noch als bei ihrer Ankunft und fremd sogar neben Katharina, die die Schrecken des Klosterlebens nicht einmal mehr zu bemerken schien. Mathilda dagegen – hatte Angst. Pure, lähmende Angst. Sie würde es nicht schaffen. Sie würde sich niemals so sehr im Griff haben können, um davor geschützt zu sein, eine Regel zu übertreten. Sie würde die Regelübertretungen nicht einmal wahrnehmen, weil ... die Grenzen so gezogen waren, dass sie diese schon verletzte, indem sie einfach nur sie selbst war.
    Plötzlich konnte sie ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Ich halte es nicht aus, es ist schrecklich hier, feindlich, hoffnungslos! Jeder will jedem Böses, das hat doch alles nichts mit Gott zu tun!
    Sie hatte sich so bemüht. Sich diesem Leben hier zu stellen, dem sie nicht entkommen konnte. Nicht zu hadern, sich nicht in Selbstmitleid zu ergehen. Sondern ihre Energie darauf zu richten, tapfer zu sein, sich anzustrengen, sich anzupassen. Nun schossen ihr die unterdrückten Tränen nur so aus den Augen. Sie würde scheitern, sie würde versagen – einfach, indem sie so war, wie sie war.
    Wie hielt Katharina es hier aus? Sie war auch sie selbst, auch sie passte nicht hierher, doch sie war trotzig und selbstbewusst, ließ alles Schlimme einfach an sich abprallen. Wie hatte sie gesagt? Sie sei so oft geschlagen worden, dass es nicht mehr darauf ankomme. Sie selbst, Mathilda, war nie geschlagen worden. Und sie würde es niemals schaffen, die Strafen, diese vollkommen überzogenen Strafen nicht zu fürchten. Sie würde unglücklich sein, immer, für den Rest ihres Lebens.
    Sie schluchzte auf. Wann war sie das letzte Mal glücklich gewesen? In der letzten Zeit zu Hause sicher nicht mehr. Davor die Enttäuschung mit Sebastian ...
    Vorher war alles gut gewesen. Vorher hatte sie sich auf ihn gefreut, auf ihr Leben gefreut, an seiner Seite.
    Daran mochte sie aber jetzt überhaupt nicht mehr denken. Dieses Glück existierte nicht mehr, und die Tatsache, dass es nicht mehr existierte, bewies, dass es niemals existiert hatte. Es war alles Illusion gewesen. Und Sebastian hatte alles kaputt gemacht! Wie hatte er ihr das antun können? Und wie sie zwingen, sich an diesen Ort zu begeben?
    Sie war ungerecht, das wusste sie auch jetzt. Es war nicht nur seine Schuld, dass sie hier war. Doch wenn er sie geheiratet hätte, wäre sie nicht hier, das war sicher. Wenn er sie geheiratet hätte, wäre sie immer noch glücklich.
    Er war ein Schuft, ein egoistischer Schuft, der nur an sein eigenes Wohlergehen dachte!
    Mathilda spürte, wie sich zum ersten Mal Zorn in ihr regte. Ja, sie war wütend. Wütend auf Sebastian, der ihr all das hier antat. Und die Wut fühlte sich gut an. Stark und energiegeladen, so fühlte sie sich. Diese Wut machte sie stärker.
    Stark sein musste sie. Sich beherrschen. Es half doch nichts, sie konnte nicht von hier entkommen. Und sollte jetzt wirklich schlafen, denn je unausgeschlafener sie morgen wäre, desto eher würde sie eine Regel übertreten.
    Sich selbst die Luft zum Heulen abschnürend, versuchte sie die Schluchzer zu unterbinden. Presste ihre Hände auf ihre Augen, biss sich heftig auf die Unterlippe. Sie würde beichten dürfen morgen. Würde Pater Arno treffen, hinter seinem Gitter zwar, aber er würde trotzdem für sie da sein. Ihm würde sie alles erzählen können, und er würde sie verstehen, das spürte sie ganz stark. Bei ihm durfte sie so sein, wie sie war. Vielleicht hatte er einen Rat für sie? Oder jedenfalls Trost. Bei ihm würde sie sich nicht mehr fremd fühlen, ganz sicher.
    Tief aufseufzend, drehte sie sich auf die Seite und schloss in neuer Zuversicht die Augen. Wie gut, dass es hier wenigstens einen menschlichen Beichtvater gab.

Unter Männern
     
     
    „Als wir denn nun Zeit haben, so lasset uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen“, schloss Bruder Simpert die heutige Tischlesung. „Im

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