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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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einmal Geschirr zerbrechen, weil Ihr nicht die nötige Sorgfalt walten lasst, soll eine harte Strafe über Euch kommen.“
    Die Laienschwester atmete sichtlich auf und verneigte sich in Richtung Äbtissin.
    Doch die hatte sich bereits an Schwester Jordanin gewandt: „Schwester Elisabeth Jordanin, Ihr habt heute keine große Verfehlung begangen, immerhin habt Ihr Euren Wunsch bezähmt. Dennoch verurteile ich Euch dazu, eine Woche lang statt eines Abendessens hier im Refektorium laut aus der Bibel vorzulesen.“
    Mathilda konnte es nicht fassen. Was hatte Schwester Jordanin denn getan? Sie hatte einen Wunsch unterdrückt. Und dafür bekam sie eine so harte Strafe?
    Zu ihrer Verwunderung jedoch lächelte Schwester Jordanin und verneigte sich vor der Äbtissin. „Ich danke Euch.“
    „Mutter Anna Hutterin“, wandte sich die Äbtissin nun an die alte Nonne. „Euer Vergehen mag das lässlichste von allen heute gestandenen gewesen sein. Dennoch muss ich Euch mahnen. Der Herrgott sieht es gar nicht gerne, wenn wir angesichts Seiner unseren leiblichen Bedürfnissen frönen. Die morgige Vigil werdet Ihr deswegen auf Knien verbringen.“
    Mutter Hutterin neigte mit gesenkten Augen den Kopf. An ihrer undurchdringlichen Miene war nicht abzulesen, wie schlimm diese Strafe für sie sein mochte. Mathilda empfand jähes Mitleid. Schon ihr taten die Knie nach einer Stunde gehörig weh. Wie musste das erst für alte Knochen sein?
    Doch die Äbtissin hatte sich bereits abgewandt: „Schwester Margarete Narcholtzin, Ihr habt gestohlen, und das ist ein schlimmes Vergehen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Ihr nicht bereit wart, Eure Verfehlung freiwillig zu gestehen.“ Mutter Örtlerin schwieg einen Moment und ließ ihre Worte wirken. Dann fuhr sie fort: „Aber weil Ihr Euch in all den Jahren Konventszugehörigkeit noch niemals etwas Derartiges habt zuschulden kommen lassen, will ich es für diesmal bei einer geringen Bestrafung belassen: Heute während Vesper werdet Ihr alleine im Korridor bleiben und dort beten.“
    Zu Mathildas Verwunderung schien diese in ihren Augen recht harmlose Strafe der Laienschwester schwer zuzusetzen. Sie begann zu zittern und zu stöhnen, fasste um sich, wankte. Ihre eilig hinzuspringende Banknachbarin, eine Nonne mit einem feuerroten Mal auf der Wange, musste sie fest am Arm packen, damit sie nicht zusammensackte.
    Doch Mutter Örtler hatte dafür nur harte Worte: „Was mischt Ihr Euch ein, Anna Gensstallerin? Lasst sie alleine stehen!“
    Mit erschrockenem Gesicht ließ die Gerügte ihre Hände fallen, trat einen Schritt zurück, setzte sich schließlich wieder mit schuldbewusster Miene.
    Schwester Narcholtzin jedoch schien sich inzwischen gefangen zu haben. Sie wankte zwar noch, konnte aber wieder alleine stehen.
    Die Äbtissin wandte sich nun an alle Verurteilten: „Während des heutigen Abendessens werdet Ihr gemeinsam vor dem Refektorium knien und um Läuterung bitten.“
    Sie hob ihr Glöckchen wieder, klingelte und wandte sich ab.
    Stimmgewimmel und Bewegung setzte ein, das Schuldkapitel war beendet.
    Doch Mathilda stand noch immer wie erstarrt. Hätte ihr jemand vor nur einer Woche erzählt, weshalb hier im Kloster selbst beschuldigt, angeklagt – und anschließend bestraft würde, niemals hätte sie demjenigen Glauben geschenkt. Sie konnte es ja selbst jetzt, da es vor ihren Augen und Ohren geschehen war, kaum fassen. Waren das wirklich schwere Verstöße gegen die Klosterregeln gewesen? Das konnte doch fast nicht sein. Was hatten diese Frauen denn verbrochen? Geschirr zerschlug doch jeder einmal, der dauernd damit zu tun hatte. Und vor Müdigkeit noch einmal einzuschlafen oder sich nach menschlicher Zuwendung zu sehnen – für Mathildas Empfinden waren das Nichtigkeiten. Und so etwas sollte Gott stören? Ein Stück Brot nehmen, wenn man Hunger hatte und in der Küche inmitten all des Essens arbeitete?
    Gut, geschlagen worden war niemand, und diesmal hatte die Schönin das nicht einmal vorgeschlagen. Was sie jedoch unter Garantie getan hätte, wenn es um Mathildas und Katharinas Verstoß gegen das Nachtsilentium gegangen wäre. Ja, Mathilda war sicher, dass das – und selbst der heimlich von einem Mann empfangene und gegessene Apfel – weitaus schlimmere Sünden waren als die heute gesühnten.
    Ihr schlechtes Gewissen, sich vor Angst nicht selbst angeklagt zu haben, konnte sie nur dadurch beruhigen, dass sie morgen zur Beichte gehen würde. Ja, sie würde alles beichten. Und dann, wenn

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