Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
freizumachen, um sich sozusagen als leeren Kelch dem Büßenden zur Verfügung zu stellen. Allein auf Gottes Willen konzentriert, ohne von seiner persönlichen Meinung beeinflusst zu sein.
    Er selbst war – wofür er dem Herrn täglich dankte – in der glücklichen Lage, vollkommen in seinem Glauben und Wirken für Gott aufzugehen.
    Es hatte auch in seinem Leben eine unglückselige Zeit gegeben, da er sich auf eine paradoxe Weise hatte strafen wollen, indem er sündigte und sich von Gott entfernte. Doch diese schmerzerfüllte Phase hatte er – dem Allmächtigen sei Lob und Preis – endgültig hinter sich lassen können. Er war zu Gott zurückgekehrt wie einst der verlorene Sohn, von da an wunschlos glücklich im alleinigen Bestreben, dem Herrn in allem, was er tat, zu dienen.
    Nein, sündhaftes Verhalten jedweder Art hatte keinerlei Reiz mehr für Arno. Es kostete ihn hin und wieder eine Besinnungsstunde, um zum Beispiel aufkeimende Impulse fleischlicher Natur in sich auszumerzen – im Großen und Ganzen jedoch hatte er sich und sein Leben perfekt im Griff.
    Das zum Anlass zu nehmen, selbstherrlich auf weniger begünstigte Menschen hinabzusehen – und dieses Laster der Selbstüberhöhung war es, für das er anfällig war, er wusste das sehr wohl – hütete er sich gewissenhaft. Ihm war der Segen zuteilgeworden, über ein gewisses Maß an Willensstärke, Selbstdisziplin und Vernunft zu verfügen – doch das waren allesamt Gaben des gütigen himmlischen Vaters, auf die nicht er, Arno, stolz sein durfte.
    Heute allerdings ...
    Mit einem kurzentschlossenen Ruck stieß er sich von der Tür ab und setzte sich wieder in Bewegung, den Gang hinunter, um eine Ecke, bis zur Kammer des Priors ganz am Ende.
    Heute gibt es erst recht keinen Grund, auf irgendetwas stolz zu sein!
    Ohne noch einmal zu zaudern, hob er seine Hand und schlug an die Tür. „Pater Palgmacher, ich brauche Eure Dienste!“
    Keine Antwort von drinnen.
    „Prior Palgmacher, macht mir auf, ich brauche Euch “, wiederholte Arno – nicht wirklich laut. Auch wenn die umliegenden Zellen vermutlich leer waren, tat es nicht Not, hier herumzuschreien.
    „Hmmm. “ Sonst nichts.
    Arno rüttelte am Türgriff. „Palgmacher, macht auf!“
    Endlich langsames Knirschen drinnen. Ächzen. Rascheln. Schritte. „Was gibt es denn?“
    Glaubte er, Arno würde sich hier auf dem Gang erklären? „Lasst mich herein! “  
    Na endlich! Man hörte den Riegel, dann wurde die Tür geöffnet. Nur einen Spalt. Der allerdings genügte, um eine gewaltige Rotweinfahne herausdringen zu lassen.
    Unwillkürlich wich Arno zurück. Die Luft, die seine Nase erreichte, befand sich in einem Zustand, der eine Abwicklung vor der Tür doch rechtfertigte.
    „Ich muss beichten, bevor ich die Beichte abnehmen kann“, erklärte er so leise wie möglich.
    Palgmacher stöhnte. „Wayden, Ihr doch nicht!“
    Das durfte nicht wahr sein. Arno machte einen ruckartigen Schritt auf das hinter seiner Tür hervorlugende, verquollene Gesicht zu.
    Das prompt zurückzuckte. „Ihr seid zu streng mit Euch, Wayden. Ich bin sicher, es gibt keinen tugendhafteren Priester unter der Sonne als Euch. “
    Oh, gleich würde Arno die Beherrschung verlieren. „Ich entscheide, wann ich Absolution nötig habe“, stellte er giftig fest. „Und es ist Eure Pflicht, mir diesen Dienst zu erweisen. Wie eigentlich auch jene, die ich Euch gleich abnehmen soll.“
    Es konnte nicht schaden, ein wenig zu drohen.
    „Ihr wollt doch nicht, dass alle ausgehungerten Nonnen Euren Bekenntnissen lauschen “, rettete sich der Prior sofort in ein anderes Argument. „Es ist schon über die Zeit, und die Kirche wird heute brechend voll sein. “  
    So erbärmlich und ärgerlich das auch war: Es war leider die Wahrheit.
    Arnos Zögern hatte erstaunlicherweise nicht zur Folge, dass der schlafbedürftige Prior ihm die Tür vor der Nase zuschlug. Stattdessen wurde sie ganz aufgezogen.
    „Na gut, kommt rein, Wayden. Bringen wir es hinter uns. “  
    Sieg und Niederlage zugleich. Doch hatte er eine Wahl? Ein letztes Mal tief einatmend, tauchte Arno in die stinkende Zelle und harrte aus, bis sein Prior – im langen, gräulich-weißen Nachthemd – sich ausgiebig gereckt und gegähnt hatte, dann einen Stuhl zurechtrückte und sich setzte.
    Mit einem weiteren, imaginär-symbolischen Atemzug stürzte sich Arno in die demütigende Peinlichkeit – und auf die Knie. „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes “ ,

Weitere Kostenlose Bücher