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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.“
    „Amen.“
    Das Schweigen senkte sich mit den sich einträchtig neigenden Häuptern gleichmäßig über beide Tafeln. Arno ließ es sich zunächst bis in den letzen Winkel des Refektoriums ausbreiten – öffnete seine Ohren, seinen Geist, sein Herz, bis er das Gefühl hatte, es vollkommen durchdrungen zu haben – um es erst dann zu beenden: „Herr, unser Gott, wir danken Dir, dass Du uns Körper und Seele gefüllt hast.“ Nun würden sie ihm gerade noch so viel Zeit gewähren, die er benötigte, um sein geliebtes Schlusszitat auszusprechen: „Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geiste.“
    Wie erwartet schwoll von einem auf den anderen Moment aus dem Nichts eine beeindruckende Geräuschkulisse an – und machte Arno auch heute wieder bewusst, wie sehr er es genoss: Teil einer geistigen Gemeinschaft zu sein, die sich einer gemeinsamen Leidenschaft – der Liebe zu Gott – geweiht hatte. Und die um dessentwillen gemeinschaftlich Regeln zu achten bereit war. Sogar etwas so Menschenfernes zu tun wie, beim Essen zu schweigen.
    Gedankenvoll ließ Arno seine Augen über das Refektorium schweifen, während die beiden zuständigen Laienbrüder die benutzten Schalen zum Reinigen einzusammeln begannen.
    Georg war wie üblich der einzige, der ihnen mit den schweren Körben half. Mit einem herzlichen Lächeln schleppte er einen am Tisch der Priester entlang und nahm die ihm zugereichten Näpfe und Becher entgegen.
    „Lasst mir meinen noch!“ Palgmachers Stimme gebieterisch vom anderen Ende der Tafel. „Und ist noch ein bisschen Wein da? Von diesem Krug habe ich nur ein halbes Maß abbekommen!“
    Wenn er so weitermachen würde ...
    Genervt wandte Arno sich wieder dem einen seiner männlichen Forschungsobjekte zu, der die Aufräumer nun mit einem fröhlichen Lachen verabschiedete und sich zu seinem Platz zurückwandte. Er wirkte wie immer. Spielte das Weib wirklich noch keine Rolle in seinen Gedanken?
    Sollte Arno einen Test machen?
    „Bruder Georg“, rief er den jungen Mann zu sich.
    Welcher mit offener Miene gehorchte. „Pater Arno?“
    Er lächelt nicht, durchzuckte es Arno. Das war doch ungewöhnlich. War er aufgeregt? Zitterten seine Hände? Er hatte sie gefaltet. Wie um zu demonstrieren: ' Sieh her – ich ruhe in mir selbst.' Was er normalerweise tat, das war schon richtig.  
    „Ich habe mich eben wieder einmal an Eurer Bibelübersetzung erfreut“, sprach Arno das aus, was ihm als Erstes in den Sinn kam. „Es ist einfach gut, unsere des Lateins nicht mächtigen Mitbrüder auch an den täglichen Lesungen zu beteiligen. Auch Mutter Örtlerin lässt Euch dafür ihren Dank ausrichten.“ Auch wenn das schon eine Weile zurücklag, Arno hatte es bloß weiterzugeben vergessen.
    Der junge Mann strahlte. „Ich danke Euch, Pater. Und ich werde mich noch heute an Eure Vokabelliste setzen!“
    „Das ist erfreulich!“ Arno nickte anerkennend. „Habt Ihr sonst etwas auf dem Herzen?“ Zu spät wurde ihm bewusst, dass er es gewesen war, der den Novizen gerufen hatte und nicht umgekehrt.
    „Nein, nein, alles in Ordnung!“, wehrte dieser hastig ab.
    Und ließ Arno aufmerken. Dem Jüngling schien Arnos Lapsus tatsächlich entgangen zu sein. Das war eindeutig verdächtig. „Es war wirklich nur die Apfelernte, die mich von Platon abgelenkt hat, ehrlich!“
    Hier war Arnos misstrauische Augenbraue sehr nützlich. Gerade hatte sie Georgs Hände dazu gebracht, sich unwillkürlich voneinander zu lösen und unübersehbar fahrig durch die Luft zu rudern. Ihr Herr hatte etwas zu verbergen, ohne jeden Zweifel. Seine eigenen ineinander verschränkend, lehnte Arno sich zurück.
    „Ich bin jetzt mit Bruder Simpert verabredet, wenn Ihr erlaubt, Pater.“ Die Stimme des jungen Mannes klang fest – aber so, als hätte auch er sich darauf konzentrieren müssen.
    Simpert stand inmitten der plaudernd und lachend in die Pause vor Komplet aufbrechenden Mönchsschar und erwartete ihn. Ob Georg ihm erzählen würde, was ihn zurzeit beschäftigte?
    Mit einem Nicken entließ Arno ihn – dem mit seinen beiden Freunden am Tisch zurückgebliebenen Palgmacher einen raschen Blick zuwerfend. Der ahnte nicht, was ihm womöglich entginge, wenn er nicht allmählich die Finger von dem Wein ließe. Arno hustete.  
    „Kommt zu uns, Wayden!“, hob der Prior seinen Becher. „Auch für Euch ist noch etwas da!“
    Arno

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