Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
nickte höflich. „Nein danke, Prior. Ich werde mir lieber einen Moment die Beine vertreten.“

Freitag, 21. Oktober 1521
    Beichtvaters Beichte
     
    Die Gewissen aller Schwestern, Priester und Brüder sollen zumindest dreimal im Jahr dem gemeinsamen Beichtvater durch die Beichte geoffenbart werden.
    Aus den Klosterregeln der Heiligen Birgitta
     
     
    Warum immer er? Warum konnte Palgmacher ihn nicht ein einziges Mal in Ruhe lassen? Warum musste Arno ihn ausgerechnet heute schon wieder vertreten?
    Ich werde Amtsmissbrauch begehen! Ach was! Eine Sünde! Eine beschämende, erbärmliche Sünde!
    Arnos Schritte, die Stufen vom Redhaus hinunterhämmernd, verloren ihr zorniges Stampfen auch auf ebenem Boden nicht.
    Wie hatte er sich auch so gehenlassen können? Wie sollte er sich als Priester je wieder in die Augen sehen? Und – vor allen Dingen – wie sollte er in diesem Zustand jemandem die Beichte abnehmen?
    Ich bin es, der beichten muss!
    Die Frage war nur, wie? Bei einer bestimmt beachtlichen Schlange erwartungsfroher Nonnen, die bereits in der Kirche auf den Prior warteten – welcher derweil sanft in seiner Zelle seinen Rausch ausschlief.
    Also was soll ich jetzt machen?
    Wütend fegte er um die Ecke zum Männerkonvent.
     
    Noch einmal von vorne: Formal betrachtet war er heute Nacht, heute Morgen, eben noch in Tertia gar nicht der Beichtvater gewesen. Bis vor ein paar Minuten hatte er immerhin noch nicht gewusst, dass er den Prior auch heute wieder würde vertreten müssen.
    Durfte er also diese Tatsache so deuten, dass er sich nicht im Amt befunden hatte, als ... Dann wäre es auch nicht notwendig, diese Verfehlung als Sünde zu interpretieren.
    Gequält seufzend verharrte er, mittlerweile am Haupttor des Konvents angekommen, mit der Hand am Türgriff. Entband ihn das wirklich von dieser Schuld?
     
    Für ihn selbst unvermittelt riss er im folgenden Moment den Torflügel auf und schob sich in die Eingangshalle. Fand sich, ohne das bewusst entschieden zu haben, nicht auf dem Weg zur Kirche, sondern zum Zellentrakt wieder. Es half alles nichts: Er musste Palgmacher aufsuchen und zuerst selbst beichten, sonst wäre er nicht in der Lage, sich auf den Beichtstuhl zu setzen.
    Das war auch in der Vergangenheit durchaus vorgekommen. Arno war nicht unfehlbar. Kein Mensch war das und leider auch kein Priester. Seine Fehlbarkeit jedoch offenbarte Arno natürlich ausschließlich solchen Priestern, von denen er sicher annehmen konnte, dass sie noch unvollkommener waren als er – und das war heute zu seinem Leidwesen nur noch Palgmacher. Pater Heinrich, in seinem Mönchsdasein ähnlich entspannt wie Palgmacher und Arnos zweite Wahl, wenn der Prior nicht zur Verfügung gestanden hatte, weilte seit nunmehr vier Wochen nicht mehr unter ihnen – was Arno heute zum ersten Mal ehrlich bedauerte. Nun, er brauchte nicht oft einen Beichtvater – doch heute hatte er keine Wahl. Glücklicherweise ohne jemandem begegnet zu sein, schlüpfte er am Ende des letzten Ganges durch die Zwischentür und gelangte in den um diese Zeit ausgestorbenen Schlafbereich der höhergestellten Chorherren, wo Palgmacher schräg gegenüber von ihm selbst wohnte. Erleichtert aufatmend blieb er, an die hinter ihm geschlossene Tür gelehnt, vorerst stehen, um sich zu sammeln.
    Nein, es war sinnlos zu leugnen: Er hatte in seinem Amt gesündigt – weil er immer im Amt war. Und das empfand er auch so. Es war sogar so, dass er sich schon lange als der wahre Generalbeichtvater des Klosters fühlte – als zukünftiger in jedem Falle. Da kam es ihm sehr entgegen, dass Palgmacher sich mehr und mehr angewöhnte, Arno als seinen Vertreter einzuspannen, mittlerweile sogar unabhängig davon, in welchem Zustand er sich gerade befand.
    Auch wenn Palgmacher sich öfter vornahm, das zu ändern, zählte die Freitagsbeichte neben der Ausrichtung der sonntäglichen Heiligen Messe für ihn zu den lästigeren Pflichten.
    Arno sah das ganz anders. So gern er die Novizen lehrte, so gern er las und diskutierte – als Seelsorger, der die Gläubigen in ihrem Leben begleitete und sie unterstützte in ihrem Christsein, war er in seinem eigentlichen Element. Und er eignete sich auch für diese Aufgabe, wie ihm von verschiedenen Seiten bescheinigt worden war.
    Hatte er sich anfangs noch bewusst dazu anhalten müssen, die angemessene innere Haltung für das Beichtsakrament zu erlangen, so war ihm diese mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. In sich zu gehen und seinen Kopf

Weitere Kostenlose Bücher