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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Silentium! Da erwartete er gestammelte Eingeständnisse neu erwachender Liebessünden – und dann beschäftigte sie eine Kleinigkeit, die obendrein so genau in das Bild passte, das er von ihr hatte.
    „ Das ist gar nicht meine Absicht, ich will mich ja daran halten, es kommt nur von selbst, dass ich rede, wenn ich jemanden sehe, wenn ich jemanden mag – man darf nicht einmal 'Danke' sagen oder 'Entschuldigung', es ist schrecklich, immer wieder ecke ich an und versage und werde strafend angesehen ... Und ich bin zu schwach, es abzustellen.“  
    Seine Belustigung war lange verschwunden. Sie quälte sich, sie war verzweifelt, wirklich verzweifelt.
    „Und bis jetzt habe ich noch nicht einmal Katharina erwähnt. Die ich mag, die mich mag, die meine Freundin sein könnte ...“
    Katharina Greulich. Arno seufzte verstohlen. Wunderte es ihn etwa, dass gerade diese beiden Nonnen sich offenbar gefunden hatten? Mathildas Aufenthalt hier würde noch weitaus komplizierter geraten, als er erwartet hatte.
    „Aber Freundschaft ist verboten, es sei eine Sünde, sich mit einer Freundin zu treffen, man muss es unterdrücken, sich voneinander fernhalten, darf sich nicht einmal ...“
    Sie sprach von Katharina und Elisabeth, wobei sie wahrscheinlich noch nicht ahnte, um was es bei diesen beiden in Wahrheit ging. Doch auch davon abgesehen, konnte er sie, was den Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen anging, natürlich nicht beruhigen.
    „ Das Silentium ist keine gottgegebene, sondern eine Klosterregel“, unterbrach er sie, um sie zumindest in dieser Hinsicht erst einmal zu beruhigen. „Ihr begeht keine Sünde vor Gott, wenn Ihr sie brecht, und von Ihm habt Ihr keine Strafe zu befürchten.“  
    „ Oh ...“  
    Sie starrte ihn an. War sie nicht erleichtert?
    „ Übertritte werden daher auch im Kapitel vorgetragen, nicht in der Beichte.“  
    Sie war geschockt!
    Das Strafkapitel, fiel ihm wieder ein. Das ihr so sehr zugesetzt hatte. Das war es, was sie fürchtete. Oh Mädchen, du gänzlich irdisches Mädchen!  
    Was konnte er tun, um sie davor zu bewahren, dort auf dem Boden liegen zu müssen? Das würde sie nur demütigen, ohne zu nützen. Sie war nicht so, dass sie daraus geläutert hervorginge wie Elisabeth, der es besser ging, wenn sie eine Strafe empfangen hatte. Und sie war nicht wie Katharina, die diese Strafe an sich abprallen ließ, die sich im Trotz ihrer Liebe sogar dem Teufel stellen würde. Mathildas Angst vor dem Teufel war garantiert auch geringer als die vor irdischen Übeln – aber das Übel, sich zu Boden werfen zu müssen, wäre für sie schlimmer als der Teufel.
    Schon wieder hörte er sich seufzen. Das war es, was diese Tage ausmachte, oder? Ein das andere jagende Seufzen!
    „ Alle Neuankömmlinge haben anfangs Schwierigkeiten damit“, versuchte er vorerst zu relativieren.  
    Ehe er wusste, was er weiter sagen könnte, erwiderte sie ganz vertrauensselig: „Weil das so ... unnormal ist, nicht wahr? Immerzu zu schweigen und allein zu sein? Für Menschen?“
    Unnormal für Menschen, aber besonders unnormal für Menschen wie dich. Lächeln konnte er nicht. „Es wird einfacher, mit der Zeit.“ Was sonst konnte er ihr sagen?  
    „ Ich weiß nicht.“ Nun seufzte sie.  
    Arno ebenfalls. Er konnte sie nicht vor dem Strafkapitel schützen. „Jedenfalls ist es nicht Gott, der Euch dafür bestraft.“ Nur würde sie das eben nicht trösten.
    Ein Atemzug Schweigen.
    Er war nicht mehr im Mindesten neugierig. Von ihm aus hätte sie einfach weiterschweigen können. Sie jenseits, er diesseits des Gitters – umgeben von derselben Stille. Die sich zu dehnen schien, die Zeit langsamer zu machen, die Atemzüge, den Herzschlag ...
    B is unvermittelt laut das leise Zischen einer verlöschenden Kerze vom Hauptaltar zu ihnen herüberdrang, Arnos Gedanken durchzuckend – und auch Mathilda regte sich wieder.  
    Einen Wimpernschlag lang, zwei, breitete sich im Schweigen ein Zögern zwischen ihnen aus – dann durchbrach sie es. Unerwartet, trotz allem.
    „ Darf ich meine anderen Sünden auch noch beichten?“, reihte sie in rascher Folge die Worte aneinander, als hätte sie Angst, dass er ihre Beichte vorschnell beenden könnte.  
    Die scheue Kindlichkeit in ihrer Frage löste ein inneres Lachen in ihm aus – und ließ ihn zurückfinden in seine Priesterstimme: „Dazu seid Ihr hier.“
    „ Manchmal habe ich doch noch an ihn gedacht“, eröffnete sie das Beichtgespräch zum zweiten Mal – diesmal

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