Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
überlegt, ohne das Drängen, das sie vorhin getrieben hatte.  
    Nein, Georg war ohne Zweifel noch nicht von Belang. Was Arno doch auch nicht wirklich erwartet hatte. Die beiden waren keine Tiere, die sich triebhaft aufeinander stürzten, natürlich nicht. Und von Mathilda wusste er doch mittlerweile, dass sie eine ernsthafte Person war, die gewiss auch mit ihrer Liebe nicht leichtfertig umging.
    „ Er war Euer altes Leben“, beruhigte Arno sie von Neuem. „Das Ihr nicht so einfach ablegen könnt wie Eure frühere Kleidung.“  
    Er sah durch das Gitter, wie ihre Hände unter dem Skapulier hervorschnellten und kurz durch die Luft wedelten, so als wollten sie seine Worte bestätigen. Mit noch abrupterer Bewegung zog sie sie wieder zurück. Wie der Stoff in der Höhe ihres Bauches sich wölbte, als sie ihre Hände wieder faltete, konnte er lediglich erahnen.
    „ Ich gebe mir Mühe“, versicherte sie, schon lauter als zuvor.  
    Das war seine Erfahrung. Wenn er das sündige Verhalten nicht gleich vollständig verteufelte, sondern ein gewisses Verständnis signalisierte, waren die Büßenden in weit größerem Maße bereit, ihrerseits Zugeständnisse zu machen.
    „ Ich habe das ausprobiert, was Ihr mir letzte Woche geraten habt“, fuhr sie mit jetzt eindeutig eifriger Stimme fort. „Meine Liebe zu ihm umzulenken auf Gott.“  
    Aber das gelingt dir nicht, du bist nicht so, dass es dir gelingen könnte!  
    Arno hielt den Atem an, um seine abscheulichen, wahrhaft größenwahnsinnigen Gedanken zu stoppen. Er war nicht derjenige, der hier sitzen konnte und über ein unschuldiges Mädchen urteilen, das sich redlich bemühte. Und vielleicht schafft sie es, vielleicht irre ich mich ja – und es ist ihr doch möglich, ihre Liebe, die ihrem so irdischen Leib entspringt, umzuleiten auf das Göttliche.  
    Was sagte sie gerade?
    „ Aber das ist schwer. Ich meine, ich liebe Gott, ich liebe Jesus, ich liebe Maria. Ehrlich. Nur – sie sind so,“, sie suchte nach Worten, „so weit weg. So groß, so unfassbar. Das ist natürlich schön und wunderbar ...“  
    Sie verlagerte ihr Gewicht, als ob sie vergessen hätte, dass sie sich im Beichtstuhl befand. Ließ ihren Blick durch die Kirche schweifen, um ihn wieder ihm zuzuwenden. Arno zuckte zusammen. Sie hatte sich wirklich ihm zugewandt, seine Augen gesucht – die doch aber im Dunkeln lagen, in der Dunkelheit hinter dem Gitter – und dennoch gefunden. Sie sprach zu ihm. Mit ihm.
    „ Sie sind so wenig menschlich“, sagte sie leise. Lächelte entschuldigend. „Ich glaube, ich kann besser Menschen lieben.“  
    Das kannst du. Arno blinzelte. Atmete. Schluckte. Heiliger Gott, erlöse mich von mir selbst, mach mich zu deinem Werkzeug!  
    „' Die Liebe ist ein so großes Gut, dass auch nicht der geringste Gedanke der Liebe ohne Belohnung bleiben wird'“, zitierte er hastig.  
    „ Die heilige Birgitta“, erkannte Mathilda sofort. „Das habe ich nämlich nicht verstanden. Wieso sagt sie so etwas, so etwas Schönes, wenn Liebe hier eigentlich so kompliziert ist?“  
    Arno fühlte ihre Augen herausfordernd auf seinem doch noch immer verborgenen Gesicht. Gut, dann diskutierten sie eben. Im Grunde spielte es doch auch keine Rolle, ob sie es im Klassenzimmer taten oder hier.
    „ Alle Liebe auf der Welt gehört zu Gott“, antwortete er, jetzt wieder souverän. „Sie existiert auf unterschiedlichen Stufen. Einfache Menschen folgen ihrem Leib und richten sie auf einen Menschen – ihren Gatten oder ihre Kinder. Das ist die niederste Form – aber nichtsdestotrotz göttlich. Die nächsthöhere Stufe ist die Nächstenliebe.“  
    „ Hat diese nicht Jesus als das höchste Gut gepriesen?“, wurde er von Mathilda unterbrochen. „'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.'“  
    Ja, dieses Mädchen diskutierte. „'Denn ich bin dein Herr – sagt Jesus Christus'“, ergänzte Arno. „Ihr habt recht. Nächstenliebe ist die Liebesform, die für alle Menschen selbstverständlich sein sollte. Und ohne Nächstenliebe hätte unser irdisches Leben keinen Sinn.“
    „ Das meint Birgitta mit dem 'aus Liebe verrichteten guten Werk' , nicht wahr?“, ergänzte Mathilda rasch.  
    Arno lächelte. Es machte Spaß mit ihr.
    „ Und Ihr meint, Gott zu lieben, ist die höchste Stufe, oder?“, fuhr sie auch schon fort.  
    „ Genau“, nickte er. „Die Liebesform, die von uns hier im Kloster praktiziert werden soll. Die höchste und schwierigste.“ Für Frauen wie

Weitere Kostenlose Bücher