Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
vom Konventsleben ausgeschlossen, aber er kann ihn doch nicht einfach verhungern lassen!“
    Arno musste an Tempo zulegen, um mit dem zornig stampfenden jungen Mann Schritt zu halten. „Er will ihn also wirklich hinauskomplimentieren? Wieso gerade heute? Was war der Auslöser?“
    „Komplimentieren? Er will einen ohnehin so oft kränkelnden Mann mitten im Herbst vor die Tür setzen? Das ist doch nicht christlich! Das ist ...“
    Ob sein sonst überaus korrekter Schüler tatsächlich eine Beschimpfung ausgesprochen hatte – einen Fluch zog Arno gar nicht erst in Erwägung – konnte er leider nicht mit Sicherheit sagen, denn in diesem Moment hatten die beiden die Tür in die Halle passiert, welche Hartwig mit lautem Knall hinter ihnen ins Schloss fallen ließ. Wiederum musste Arno beschleunigen, um den Jungen einzuholen.
    „Wie ist es denn nun dazu gekommen?“, brachte er außer Atem hervor, doch da waren sie schon an der Bruderküche angekommen.
    Benjamin Berger, Küchenbruder, und Johannes Palgmacher, Prior, standen sich gegenüber, zwischen ihnen der Serviertisch, der bereits mit dampfenden Schüsseln zugestellt war. Zwei davon, zwei kleine, eine mit Graupen, wie es schien, die andere mit Suppe, hielt Benjamin fest, während Palgmachers Pranken angriffslustig darüber in der Luft ruderten.
    „Das ist ein Befehl des Priors, Berger! Und dieser Prior bin ich – nur für den Fall, dass Ihr an Gedächtnisschwund leidet.“
    „Verzeiht, verehrter Prior Palgmacher.“
    Arno kannte Benjamin gut genug, um zu wissen, dass seine Unterwürfigkeit reine Ironie war. Erkennbar war das nicht im Geringsten. Der Küchenbruder sah mit arglos großen, immer ein wenig träumerisch wirkenden Augen zu Palgmacher auf und sprach, ohne sich auch nur einen Anflug von Sarkasmus zu gestatten.
    „Aber irre ich mich – ich dachte immer, dass es der Befehlsgewalt unserer Mutter Äbtissin unterläge, einen der Brüder grundsätzlich vom Essen auszuschließen.“
    „Du irrst dich nicht.“ Hartwig war um den Tisch herum auf Benjamins Seite gelaufen, um sich neben ihn zu stellen.
    Anstatt auf ihn einzugehen, fuhr Palgmacher zu Arno herum. „Ah! Er hat seinen Herrn Lehrer zu Hilfe geholt. Das wundert natürlich niemanden, hat der doch schon in der Abstimmung nach Fronleichnam bewiesen, wie sehr er vom großen Lutherketzer infiziert ist.“
    „Bleiben wir sachlich, lieber Palgmacher.“ Arno sparte sich die Mühe, seine Stimme ironiefrei zu halten.
     
    Wobei Palgmachers Frage im Grunde berechtigt war. Schon zum zweiten Mal ergriff er nun Partei für einen Mann, den die Mehrheit des Konvents im Sommer aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen hatte – nach dessen zweifelhafter Predigt, in der er aus dem neuen Testament hergeleitet hatte, dass es sich bei der Kommunion nicht um eine tatsächliche Opfergabe handele, sondern um eine Gedenkfeier an das letzte Abendmahl Jesu.
    Damit ging er in diesem Punkt weiter als Luther, wenn Arno da richtig informiert war. Doch er hatte Heussgens Argumentation durchaus nachvollziehen können. Hatte es spannend gefunden, eine völlig neue Sichtweise auf ein seit Jahrhunderten praktiziertes Sakrament einzunehmen. Auch wenn er zuerst nicht sicher gewesen war, wie er zu den Konsequenzen stand, die sich daraus ergaben. Letztendlich war er zu dem Schluss gekommen, dass der Unterschied zwischen der traditionellen und der lutherischen Herangehensweise nicht so riesig war, wie die gegnerischen Seiten behaupteten. Es ging um Jesus, darum, sich ihm nahe zu fühlen. Ob sich dabei sein reales Blut im Kelch befand oder lediglich Wein, der selbiges symbolisierte, spielte doch eigentlich keine Rolle.
    Dass gerade Palgmacher, der vor seinem Eintritt in Altomünster lediglich Laienpriester in Bamberg gewesen war, zu den Leuten gehörte, die durch diese neuen Ideen ihre Macht als Priester in Gefahr sahen, verwunderte nicht wirklich.
    Und das wiederum passte zu dem Widerstand, den Palgmacher Heussgens Vorschlag – an Hartwig weitergegeben und schließlich von Arno der Örtlerin vorgelegt – so vehement hatte ablehnen lassen: Nicht nur die Lesungen, wie in der Birgittenregel verankert, sondern auch Liturgien und Psalmgesänge hier im Kloster nicht mehr auf Latein, sondern auf Deutsch abzuhalten.
    Das war Arnos Ansicht nach der Kern dessen, was Martin Luther meinte: Den Glauben des Einzelnen zu stärken, unabhängiger zu machen von den Priestern, die ihnen das Wort Gottes auslegten. Und das konnte er nur gutheißen.  
    Doch,

Weitere Kostenlose Bücher