Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
Vom Netzwerk:
gar nicht abschaffen, sondern nur den Beichtvater.“
    Arnos Auflachen war schneller als seine Kontrolle. Palgmacher so in Aussicht zu stellen, ihn seiner lästigsten Pflicht, der freitäglichen Beichte, zu berauben, sollte doch an sich eine gute Idee sein.
    „Wer so etwas vorzuschlagen wagt, gehört exkommuniziert“, urteilte Palgmacher – dem diese Komik selbstredend entging.
    Arno kräuselte die Lippen.
    „Was wollt Ihr mit diesem abfälligen Grinsen sagen?“, wurde er dafür angegriffen. „Ihr liebt sie doch so, Eure Kommunikation mit den Büßenden!“
    „Darum geht es doch gar nicht, Prior“, wollte Arno darlegen, doch Palgmacher erhob herrisch die Stimme:
    „Wie steht Ihr zum Bußsakrament, Wayden?“
    Der verzog den Mund. „Wollt Ihr eine Grundsatzdiskussion beginnen?“
    „Ihr teilt die ketzerischen Ansichten, ich wusste es!“ Palgmacher hatte die Hände in die Hüften gestemmt und bewegte sich auf Arno zu. Er wollte wohl bedrohlich erscheinen – wirkte mit seinem verkniffenen Gesicht und der schrillen Stimme jedoch vor allem kindisch und kleinlich.
    „Um meine Meinung zu diesem speziellen Punkt geht es hier nicht“, intonierte Arno ruhig und dunkel. „Um die über freie Meinungsäußerung dagegen schon.“
    „Hier geht es nicht um 'meinen', sondern um 'glauben'. Hier geht es um Euren Glauben, dessen Stärke, dessen Reinheit. Hier geht es um Euer Seelenheil, Wayden!“ Palgmacher war völlig außer Atem.
    „Das ist etwas, das mir an den neuen Gedanken wirklich gut gefällt“, sinnierte Arno, „dass der Gläubige selbst derjenige sein könnte, der seinen Glauben beurteilt.“
    Der Stolz in Hartwigs Blick war wirklich rührend.
    „Der Glaube ist gottgegeben“, ereiferte sich Palgmacher. „Es steht uns nicht zu, ihn zu bewerten.“
    „Was tut dann die Inquisition?“
    „Das sind schließlich von Gott selbst instruierte Männer.“
    „Indem er ihnen Geld und die weltliche Macht gegeben hat, um sie in die Lage zu versetzen, ihr kirchliches Amt zu kaufen?“
    „Ihr seid gut, Pater Arno!“ Hartwig hatte seine Arme in spontanem Jubel in die Luft gestoßen.
    Palgmacher schnaubte seinen Ekel heraus: „Ihr hättet Öko ja gar nicht gebraucht, um die ketzerischen Ideen in Eure Schüler zu pflanzen!“
    „Er lehrt uns zu denken“, rief Hartwig schwärmerisch.
    „Er hält Euch Evas Apfel unter die Nase!“
    Arno bezähmte sein Grinsen nur notdürftig. „Gott hat uns die Fähigkeit gegeben zu denken, wieso ...?“
    „Er hat uns das Denken gegeben, damit wir der Versuchung widerstehen, vom Baum der Erkenntnis zu essen“, fiel Palgmacher ihm schrill ins Wort. „Und Ihr sündigt die ganze Zeit ...“
    „Wisst Ihr, ich lasse mich und meine Schüler nicht gern vom Denken abhalten, indem man uns mit dem Fegefeuer droht.“ Es war eine Freude, wie ruhig und gelassen seine Stimme klang.
    „Ihr seid ein ebenso erbärmlicher Häretiker wie Euer Öko-Idol“, schrie Palgmacher durchdringend.
    „Und wir sind stolz darauf.“ Hartwigs Augen blitzen. Bevor er auf Arnos unwillkürliches Lachen hin zusammenzuckte und sich hastig verbesserte. „Also ich zumindest.“
    Als ob er sich plötzlich daran erinnert hätte, dass Arno sein Lehrer war, zitierte er in rasend schnellen Worten: „'Häresie ist die beharrliche Leugnung oder das beharrliche Zweifeln an einer zu glaubenden Wahrheit, nachdem die Taufe empfangen wurde.'“
    Das hatte er allerdings nicht von Arno, sondern von Heussgen persönlich. Für den sein 'wir' offenbar mit gegolten hatte.
    In diesem Moment wurden draußen im Gang Schritte laut. Die beiden angeblich unverwandten Hafners, Lenhard und Hans, offensichtlich geschickt, um den Verbleib des Essens in Erfahrung zu bringen. „Wo bleibt Ihr?“, fragte der Ältere den Prior. „Was ist mit dem Essen?“
    Der bezeichnenderweise mittels einer Geste die Frage an Benjamin weitergab.
    „Die Suppe ist beinahe abgekühlt“, war dessen einziger Kommentar. Er hatte Humor, und er war klug genug, ihn mit Bedacht anzuwenden. Arno grinste dezent.
    „Ich werde den gesamten Konvent fasten lassen“, brüllte Palgmacher unvermittelt los, nach der größten Schüssel greifend, anscheinend, um die vom Tisch zu fegen.
    Arno fasste schnell dazwischen, nahm die Schüssel an sich und reichte sie an den jüngeren Hafner weiter. „Bringt den Brüdern die Suppe. Bruder Berger hat die Lösung für den Konflikt, der hier entfacht ist, schon zu Beginn geliefert“, ließ er seine Stimme anwachsen, weil

Weitere Kostenlose Bücher