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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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wenn ich nicht irre“, versetzte er in ausschließlich strengem Ton.
    Machte sie irritiert blinzeln. Sich auf die Lippen beißen. Und anfangen.
    „'Deine Liebe ... hat ... noch nicht genug ... Licht und Kraft'“, übersetzte sie hastig mit abgehackten Worten.
    „Wirft wer ihm vor?“, rief er ihr ins Gedächtnis.
    Sie würde natürlich alles, was sie hier über die Liebe lesen würde, aus Kempens Zusammenhang reißen und auf ihre eigene, irdische Liebe beziehen, das war klar.
    „Gott“, antwortete sie. Um dann prompt zu widersprechen: „Aber er wirft das ja einem Menschen vor.“
    „Dem Menschen an sich. Uns allen. Euch.“
    Sie nickte, nun ausschließlich beflissen. Beugte sich über die Seite. „'Ein Hindernis. Ein geringes Hindernis. Bringt Dich vom Weg ab'. Oder? 'Du läufst nach. Nach Trost.'“ Sie starrte konzentriert auf den nächsten Satz. „'Die mächtige Liebe bleibt fest inmitten der Versuchung. Sie fällt nicht herein auf die ... listigen Einflüsterungen der Feinde'.“
    Sie verstummte. Schien erneut zu lesen. Blickte dann auf.
    „Es tut mir sehr leid, aber da steht nicht, was das heißen soll, oder?“
    Arno deutete auf den folgenden Satz: „'Wie ich ihr in heiteren Tagen gefalle, so missfalle ich ihr in trüben Stunden nicht'“, las er und hob schon wieder eine Augenbraue. Er rieb sich die Stirn.
    „Das klingt schön. So wie 'in guten und in schlechten Zeiten'. Aber ...“
    Er musste sie von diesen irdischen Assoziationen wegbringen! „Damit ist gemeint, dass unsere Liebe unabhängig von Stimmungen sein soll. Oder von unseren Bedürfnissen. Nicht dazu da, uns zu trösten oder glücklich zu machen, sondern um ihrer selbst willen, von uns selbst losgelöst.“
    „Aber Liebe ist nie von uns selbst losgelöst!“ Ihre Stirn tief gefurcht.
    „Irdische Liebe nicht, da habt Ihr recht.“
    „Darum geht es?“ In der Denkanstrengung zog sie ihre Unterlippe zwischen die Zähne, ihre Augen bohrend nach innen gerichtet. „Also die Liebe, die ich lernen soll ...“
    Ihm fielen die kleinen Härchen auf, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten und sich im Gegenlicht kräuselten. An ihrer Wange klebte eine ganze Strähne. „... die darf mich nicht glücklich machen?“
    Sie wird eine wie dich nicht glücklich machen. Arnos eigene Hand zuckte, als sie sich die Haare rasch hinters Ohr strich.
    Sie brauchte einen Schleier! Wenn sie schon Nonne war und er sie unterrichten sollte, musste man dafür sorgen, dass ihr Haar nicht ständig ablenkte. Er würde schon wieder die Örtlerin aufsuchen müssen.
    „Zur göttlichen Liebe berufene Menschen sind zutiefst glücklich damit“, stellte er ein für allemal fest.
    Sie sah ihn an – bewundernd, denn er war ja einer dieser Berufenen – doch noch immer ohne zu verstehen. Arno drängte seine Ungeduld zur Seite. Sie wollte verstehen, und schließlich war es nicht ihre Schuld, dass sie dazu nicht geschaffen war.
    „Zu lieben soll nicht den Zweck haben, unser Bedürfnis nach Glück zu erfüllen“, erläuterte er, jetzt geduldiger. „Sondern die Liebe soll allein Gott gehören, soll ihm dienen, ihn erhöhen und ehren – und allein daraus erwächst das Glück. Ohne unser Trachten. Ganz von selbst. Weil es der göttlichen Liebe innewohnt.“
    „Aber ist das denn nicht immer so in der Liebe? Auch in der irdischen?“ Sie verharrte mit andeutungsweise gespitzten Lippen, schien das äußerst gewissenhaft zu prüfen.
    Arno musste schon wieder ein Lachen unterdrücken. Das war sehr süß – wie sie so kindlich-konzentriert nachdachte – über etwas, womit sie in ihrem Alter doch, weiß Gott, nicht viel Erfahrung haben konnte. Was sie dann sagte, ließ ihn im ersten Moment auflachen.
    „Liebe IST so.“
    Und während sein Lachen erstarb.
    „Indem wir lieben, sind wir automatisch glücklich.“
    „NEIN.“
    Vier verblüffte Augen – auch Georg war von seinem Text aufgeschreckt – musterten ihn. Verständnislose Augen!
    „Wir sind unvollkommen vor Gott“, rief Arno aus – Georg auf diese Weise zeigend, dass es um theologische Inhalte ging. „Gott allein ist vollkommen.“
    Den Jungen aus dem Augenwinkel kontrollierend, senkte Arno die Stimme, sodass der nicht länger zuhören konnte. „Der geliebte Mensch ist unvollkommen. Wir können uns nicht auf ihn verlassen. So sehr wir ihn auch lieben mögen – diese Liebe kann jederzeit aufhören, weil irgendein anderes Verlangen größer ist. Das nach einem anderen Menschen, das nach Ehre, das nach Sicherheit

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