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Und fuehre uns in die Versuchung

Und fuehre uns in die Versuchung

Titel: Und fuehre uns in die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria G. Noel , Runa Winacht
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Schwester Gensstallerin war sie für den Kapitelsaal eingeteilt worden.
     
    Als sie ihren gerade fertig gewordenen, besonders regelmäßigen Stapel bewunderte, meinte Schwester Gensstallerin nüchtern:
    „Wenn es jetzt kälter wird und ständig geheizt werden muss, wird der schnell weg sein. Dann schleppen wir täglich Holz hierher.“
    „Was?“, fragte Mathilda und starrte entgeistert auf den ansehnlichen Holzvorrat. „Ich dachte, das reicht jetzt für den ganzen Winter.“
    Schwester Gensstallerin lachte hell auf. „Kindchen, du machst dir keine Vorstellung, wie kalt es hier in Kürze werden wird. Da muss ständig nachgelegt werden. Und wehe, der Vorrat geht zur Neige!“
    Doch, von kalten Wintern hatte Mathilda durchaus eine Vorstellung. Allerdings war sie als Grafentochter noch nie in der Situation gewesen, selbst für Feuerholz sorgen zu müssen, sodass sie keinen Begriff davon hatte, wie schnell oder langsam es verbrannte.
    „Wir alle wollen doch nicht frieren“, fuhr Schwester Gensstallerin fort. „Zumindest in den Sälen und Arbeitsstuben. Du wirst in deiner Zelle schon noch genug vor Kälte zittern.“
    Mathilda nickte. Auch das kannte sie. Die Räume, in denen sich die Menschen tagsüber aufhielten, wurden durch Kaminfeuer beheizt. Die Schlafstuben dagegen ... nun ja, für die Betten gab es immerhin heiße Steine und warme Decken.
    Froh war sie nur darum, dass es im Unterrichtsraum einen Kamin gab. Dort würde es also auch schön warm sein, wenn es bald richtig kalt würde.
    Schwester Gensstallerin gab einem vorwitzigen Holzscheit einen Schubs, dass er sich in Reih und Glied mit seinen Kollegen legte, richtete sich auf und presste ihre Hände in den Rücken: „Die Schlepperei geht allerdings ordentlich ins Kreuz. Da hat es die Feuerin schon einfacher.“
    „Legt die das Holz nach?“, fragte Mathilda.
    „Die heizt morgens ein und geht dann den ganzen Tag über von Kamin zu Kamin.“ Schwester Gensstallerin nickte. „Ihre Aufgabe ist nur, dafür zu sorgen, dass die Feuer nicht ausgehen.“
    Angesichts ihres sehnsüchtigen Blickes musste die Arbeit der Feuerin eine angenehmere sein als die Holzschlepperei.
     
    Die nun leeren Holzkörbe im Arm gingen sie langsam nebeneinander nach draußen zu dem großen Holzhaufen, um neue Scheite für einen anderen Kamin zu holen.
    „Ihr ward bis vor Kurzem in der Küche, nicht wahr?“, fragte Mathilda, die sich deutlich erinnern konnte, Schwester Gensstallerin bei ihrem Rundgang dort gesehen zu haben.
    „Ich bin zu ungeschickt, hat Schwester Eckartin behauptet und mich dem Holzdienst zugeteilt.“ Doch dann besann sie sich und neigte sich näher zu Mathilda. „Aber jetzt kommt eh bald die lange Fastenzeit. Da gibt es in der Küche nicht ganz so viel zu tun.“
    „Fastenzeit?“ Mathilda traute ihren Ohren nicht. „Ist die nicht vor Ostern?“
    „Oh Kindchen“, lachte Schwester Gensstaller. „Im Kloster ist fast die Hälfte des Jahres Fastenzeit.“ Sie sah Mathilda an. „Letzten Freitag, zum Beispiel. Das musst du doch mitgekriegt haben.“
    Mathilda runzelte die Stirn und dachte nach. Ihr war nichts aufgefallen. Suppen hatte es gegeben. Mittags Gemüsesuppe, abends Graupen.
    „Freitags ist immer Fasttag“, erklärte die Gensstallerin auch schon. „Da darf es nur Wassersuppen geben.“ Sie lächelte listig und setzte in verschwörerischem Ton hinzu: „Natürlich mit Einlage. Aber diese Woche, am Donnerstagabend, gibt es wirklich nur Wasser und Brot. Und nächste Woche am Montag auch. Und dann beginnt schon die Fastenzeit, bis Weihnachten.“
    „Da wird dann weniger gekocht?“, fragte Mathilda.
    „Weniger gegessen“, wurde sie von der Genssstallerin verbessert. „Im November geht es ja noch. Da gibt es nur kein Fleisch. Dafür viel Fisch und Milch. Aber im Dezember ...“ Sie schwieg einen Moment, ehe sie fortfuhr. „Nur Suppen, bis zum Weihnachtsfest.“
    Neugierig besah Mathilda die Nonne neben sich. Die schien Suppen nicht sonderlich zu mögen. Sie selbst schreckte der Gedanke, fast einen Monat lang nichts anderes zu essen zu bekommen, keineswegs ab.
    Ihr Magen begann, sich zu regen. Bald würde Mittagszeit sein und danach ... Auf den Unterricht heute freute sie sich schon.

Evas Sünde
     
     
    Was seinen Unterricht anging, war Arno nach wie vor angestrengt – und ärgerte sich darüber. Doch konnte er nichts dagegen tun. Er schwankte zwischen seiner hilflosen Wut, dieser unklösterlichen Situation ausgesetzt zu sein – und grimmiger

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