Und führe uns nicht in Versuchung: Kriminalroman (German Edition)
nimmt doch sogar beim Mopedfahren das Holzbein ab und schnallt’s seitlich vom Moped fest«, erzählte sie mir. »Und schneid ned wieder so dicke Ranftln ab, des kann ja koaner kauen«, fügte sie mit einem kritischen Blick auf die Brotscheiben hinzu.
»Quatsch«, sagte ich wieder.
Zornig sah mich Großmutter an. So sprach man mit seiner Großmutter wohl nicht.
»Geh Mädl. Des macht der schon immer so.«
»Der kann doch gar nicht mehr Moped fahren«, widersprach ich ihr, verbesserte mich dann selbst: »Die können den doch so nicht fahren lassen. Denk doch nur an die Brillengläser. Der sieht doch die Hand vorm Auge nicht.« Ich stellte das Brot auf den Tisch. »Der ist doch viel zu alt zum Mopedfahren.«
»Ah geh. Der wird jetzt zu alt sein. Der alte Schaller ist auch nur fünf Jahr älter als ich«, wandte Großmutter ein. »So alt ist des auch wieder ned.«
»Einundneunzig«, sagte ich nur.
»Einundneunzig«, wiederholte Großmutter aufsässig.
»Mit einundneunzig fährst du bitte nicht mehr Moped«, sagte ich energisch. Das wurde ja immer schlimmer. Wenn die Kreszenz auch kein Gewissen hatte, ich würde Großmutter garantiert davon abhalten, in fünf Jahren mit dem Moped durch den Wald zu fahren.
Großmutter sah mich strafend an. Ich seufzte. Sie würde sich von mir garantiert nichts verbieten lassen, auch nicht den Mopedführerschein mit einundneunzig Jahren.
»Ist der schon immer mit dem Moped rumgefahren?«, lenkte ich lieber ab, bevor sie wirklich böse wurde.
»Mei, der alte Schaller. Des war ein rechter Weiberer«, erklärte sie mir. »Was der mir manchmal zugeblinzelt hat. Grad als wär ich sein Gspusi.«
Vor hundert Jahren oder wie.
»Wahrscheinlich hätte der schon damals eine Riesenbrille gebraucht«, sagte ich, erst danach fiel mir auf, dass das eine Riesenbeleidigung war. Aber Großmutter nickte nur.
»Aber jetzt ist er g’straft mit seinen Enkelsöhnen. Die zwei Bub’n sind ja beide nix g’worden. Erst vor Kurzem hab ich den Girgl troffen, der hat sich ja den Verstand wegg’soffen.«
Am Trinken lag das bestimmt nicht.
»Weil halt die alte Zenz auch ständig unterwegs ist. Die wenn sich ein bisserl gekümmert hätt, des Einmaleins mit dem Girgl gelernt und die Hausaufgaben kontrolliert, dann hätt der schon seinen Abschluss g’macht. Aber nein, sie macht ja lieber Kaffeefahrten«, ereiferte sich Großmutter. »Und der andere, der fahrt lieber im Wald umeinander, als sich um die Buben zu kümmern.«
»Der kann doch gar keine Zäune reparieren«, wiederholte ich mich. »Wie kriegt er die Zaunlatten da hinaus?«
»Na ja, die Kreszenz hat g’meint, manchmal muss halt der Mane raus und Sachen hinfahren. Was halt der alte Schaller nicht mehr schafft.«
Zaunlatten rausfahren, der Mane. Dass ich nicht lache. Der lud doch nie und nimmer irgendwelche dreckigen Sachen in seinen sauberen Opel und fuhr die für den Schwiegervater in den Wald.
Irgendetwas stimmte nicht an diesem Szenario. Was es war, wusste ich gerade nicht. Vorhin im Wald hatte der Schaller zumindest nichts Zaunmäßiges gemacht, obwohl der Zaun es dringend nötig gehabt hätte. Der war auf unserer Seite richtig eingedrückt gewesen, die Maschen auseinandergebogen und vermoost. Die Reisingerin hätte sich da schon mal ein Moosspray gekauft, weil man so etwas ja nicht mitansehen konnte.
»Das glaub ich gleich, dass er da draußen den Zaun ständig reparieren muss. Die Wildsauen, die machen ihm bestimmt alles kaputt«, sagte Großmutter und stand auf, um ihr Glas Wasser in die Grünlilie zu entleeren.
Oder auch Lisa Wild bei dem Versuch, über den Zaun zu klettern.
»Aber im Wald stören mich die Schweindln gar nicht«, erläuterte sie mir und kramte in der Besteckschublade.
»Im Wald stören dich die Wildschweine nicht«, wiederholte ich und seufzte. Mich auch nicht.
»Aber am Friedhof. Das kann man so nicht lassen.«
Diese Aussage verstand ich erst am nächsten Tag so richtig. »Wildsauen verwüsten Friedhof«, stand in schreienden Lettern auf der ersten Seite unserer Zeitung. »Die Sauenplage, eine Zeitbombe!« Das Wort Wildsauen war geschrieben, als hätte der Blitz in die Buchstaben eingeschlagen. Der Kare wieder. Der hatte journalistisch gesehen überhaupt keine Hemmungen mehr. Wurden keine Toten gefunden, dann machte er aus jeder Lappalie so einen Aufstand, das war unglaublich. Der Schock sitzt tief. Die Gemütslage der Menschen, die ihre Angehörigen auf diesem Friedhof begraben haben und deren Gräber von
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