Und hinter dir die Finsternis
Carrington, wir werden jetzt gehen. Ich möchte Ihnen noch einmal sagen, wie sehr es mir leidtut wegen Ihrer Bluse. Es
ist mir unbegreiflich, wie das passieren konnte. Ich glaube, mir ist in all den Jahren, die ich in Dienst bin, noch nie eine solche Ungeschicklichkeit unterlaufen.«
Natürlich hatte ich seine Entschuldigungen akzeptiert, als er mir den Wein auf die Bluse geschüttet hatte, war nach oben gegangen und hatte mir rasch etwas anderes angezogen. Ich glaube, dass Peter die endlosen Entschuldigungen leid war, denn bevor ich etwas sagen konnte, erwiderte er schroff: »Ich glaube, Mrs. Carrington hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nur ein unglückliches Missgeschick war und sie dafür Verständnis hat. Ich halte es für unnötig, die Sache noch einmal anzusprechen. Gute Nacht, Gary.«
Ich hatte bisher nur selten die kühl abweisende, vielleicht sogar Furcht einflößende Seite von Peter miterlebt, und in gewisser Weise war ich erleichtert, dass er sie zeigen konnte. Die nächsten Monate bis zum Prozess würden sicherlich noch genügend demütigend und beängstigend für ihn werden. Mir gegenüber hatte er offen seine Verletzlichkeit gezeigt, weil er mir vertraute. Doch mit der Rolle, die ich ihm gegenüber eingenommen hatte – nämlich mehr Beschützerin als Ehefrau zu sein –, wurde ich seiner Persönlichkeit nicht gerecht, das begriff ich in diesem Augenblick.
Während wir die Treppe hinaufgingen, musste ich aus einem unerfindlichen Grund an einen Abend denken, vielleicht vor zehn Jahren, als ich noch auf dem College war. Ich war übers Wochenende zu Hause bei Maggie, und wir hatten gerade den alten Film Über den Dächern von Nizza mit Cary Grant und Grace Kelly im Fernsehen angeschaut. Während einer Werbeunterbrechung erzählte sie mir, dass Grace Kelly bei den Dreharbeiten zu diesem Film Fürst Rainier in Monaco kennengelernt hatte.
»Kay, ich hab mal darüber gelesen, wie der Fürst sie zum ersten Mal im Haus ihrer Eltern in Philadelphia besucht hat. Damals hat er bei ihrem Vater um ihre Hand angehalten. Am nächsten Tag hat ihre Mutter einem Reporter gegenüber
geschwärmt, was für ein netter Mensch Rainier sei, und wie leicht es einem falle, darüber hinwegzusehen, dass er ein Prinz sei. Ein Gesellschaftsreporter rümpfte daraufhin die Nase: ›Mrs. Kelly scheint nicht zu begreifen, dass ein regierender Monarch etwas anderes ist als irgendein dahergelaufener Prinz.‹«
Heute hatte ich vor Gericht einen gehetzt wirkenden Peter erlebt, danach einen tief erschrockenen Peter, der vor einem Koffer stand und sich nicht erinnern konnte, ihn gepackt zu haben. Gerade eben hatte ich einen herrischen Peter erlebt, der keine Lust hatte, sich die langen Erklärungen eines Angestellten anhören zu müssen. Wer ist Peter wirklich?, fragte ich mich, als ich mich ins Bad begab.
Ich musste mir eingestehen, dass ich keine rechte Antwort darauf wusste.
32
DAS SCHLECHTE WETTER HATTE SICH am folgenden Morgen nur wenig verändert. Es war etwas wärmer geworden, sodass kein Schneeregen mehr fiel, doch es goss immer noch in Strömen.
»Sieht so aus, als ob unsere Hunde heute noch mal einen freien Tag bekommen«, bemerkte Moran, als er kurz nach neun Uhr Krauses Zimmer betrat. »Es hat wohl keinen Sinn, sie heute auf dem Carrington-Gelände herumschnüffeln zu lassen.«
»Ich weiß. Das wäre reine Verschwendung von Steuergeldern«, stimmte Krause zu. »Außerdem werden wir dort nichts finden. Ich hab mir nochmals die Sachen durchgesehen, die sie aus dem Herrenhaus und dem Haus der Stiefmutter mitgenommen haben. Die gesamte Durchsuchung hat praktisch nichts gebracht. Andererseits, was hätte man nach zweiundzwanzig Jahren auch groß erwarten sollen? Wenn Peter Carrington schon so schlau war, sein Smokinghemd gleich nach der Tat verschwinden zu lassen, dann konnte man eigentlich davon ausgehen, dass dort nichts weiter zu finden sein würde, was ihn in Verlegenheit gebracht hätte.«
»Ich bin der Meinung, wenn es etwas gegeben hätte, dann hätten wir es wohl beim ersten Mal gefunden«, sagte Moran achselzuckend.
»Es gibt nur eine einzige Sache, die mich irgendwie stutzig gemacht hat. Schauen Sie sich das hier mal an.« Krause überreichte Moran ein Blatt Papier. Es war eine Skizze einer Gartenanlage.
Moran betrachtete sie eingehend. »Was ist damit?«
»Es befand sich in einer Aktenschublade in einem Zimmer im oberen Stockwerk des Herrenhauses. Anscheinend hat die Familie eine Reihe von Zimmern
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