und ihre Gaeste
bestimmen.“
„Eigentlich müsste Herr Groß Bescheid wissen“, sagte Hilda. „Der ist doch Lehrer.“
Aber Herr Groß - auch ein neuer Gast - erklärte: „Ich bin nur für Sprachen zuständig. Mit etwas anderem habt ihr bei mir kein Glück. Das gilt auch für meine Frau.“
Zwei ältere Frauen, die Bibliothekarinnen Hete und Grete, wie sie sich anredeten und wie sie auch heimlich von den jungen Mädchen genannt wurden, waren schon da, als die Amsel das Geschrei um ihre Kette gemacht hatte. Sie sahen ein bisschen streng aus - ähnlich wie Frau Roberts früher. Sie waren jedoch viel eleganter angezogen und gaben sich auch ein bisschen vornehm. Die eine war besonders stolz auf ihr jugendliches Aussehen. „Man darf sich nur nicht gehen lassen“, betonte sie bei jeder Gelegenheit.
„Gute Luft wirkt Wunder“, sagte sie einmal zu den Zwillingen. „Schaut mich an, sehe ich aus wie eine Frau von fünfundfünfzig?“
„Nein“, versicherten beide sofort.
Aber die unverbesserliche Hanni setzte hinzu: „Sie haben eine Haut wie ein sechzehnjähriger Pfirsich.“
Pfirsich und sechzehn Jahre ... das hörte die Dame gern. Aber Nanni gab der Schwester einen Stoß, sobald sie allein waren. „Bist du wahnsinnig?“
„Wieso?“ Hanni sah sie mit Unschuldsaugen an.
„Tu bloß nicht so! Ein sechzehn Jahre alter Pfirsich wimmelt garantiert nur so von Runzeln!“ Da lachten beide.
„Das hat Madam bestimmt nicht bedacht. Sie hat nur etwas von Pfirsichhaut gehört und von sechzehn Jahren. Da ist sie glücklich. Was willst du mehr?“
Natürlich haben die Nachrichten über Monsieur Marcel bei den beiden Damen den allergrößten Eindruck gemacht. Schriftsteller - das fiel in ihr Fach. „Natürlich habe ich den Namen schon oft gehört“, versicherte die eine. „Zum Lesen kommt man ja kaum. Aber ich werde das nachholen. Vor allem, wenn einem ein Autor persönlich bekannt ist!“
Noch am gleichen Tag schrieb sie an eine Kollegin in der Bibliothek, sie möchte ihr doch alle vorhandenen Bände von Marcel Lati schicken. So bekamen auch Frau Roberts, Frau Wendland und die jungen Mädchen Marcels Bücher zu Gesicht.
„Der ist aber wirklich weit in der Welt herumgekommen“, urteilten sie. „Kein Wunder, dass er so gut erzählen kann.“
Indien und Japan hatte er besucht. In Südafrika hatte er eine Weile gelebt und war dann an der Ostküste des Schwarzen Erdteils bis nach Ägypten gereist. In Nordamerika und Kanada war er auch gewesen. Und Europa hatte er von Sizilien bis zum Nordkap durchquert.
„Und der lässt sich ausgerechnet in so einem abgelegenen Winkel nieder!“ Conny sagte es kopfschüttelnd. „Das verstehe ich nicht, so schön ich es hier finde.“
„Vielleicht hat er genug gesehen und möchte seine Ruhe haben“, antwortete ihre Freundin Erika.
„Oder Robby gefällt ihm so gut“, sagte Hanni trocken und die Kleineren prusteten vor Lachen.
„Alberne Gänse!“, knurrte Hanni. Sie fand immer mehr, dass die beiden großartig zusammenpassten.
Die Damen Hete und Grete lasen viel Kriminalromane und Schauergeschichten. Eigentlich passte das gar nicht zu ihrem klugen Getue. Doch wenn es ihnen Spaß machte ... bitte sehr! Die Zeitungen und Illustrierten blätterten sie ebenfalls gründlich durch und kannten daher viel Klatsch- und Gräuelgeschichten.
„Ihr solltet lieber nicht so weit herumlaufen“, warnten sie die Zwillinge. „Wie leicht kann euch ein Unheil zustoßen.“
Die beiden lachten. „Jetzt sind wir schon über drei Wochen hier und kennen uns ganz gut aus.“
„Na, wenn ihr es besser wisst ... Wir haben euch gewarnt.“
Da wurde im Rundfunk eine Meldung durchgegeben: Aus einer Strafanstalt war ein Gefangener ausgebrochen. Die Bevölkerung wurde um Aufmerksamkeit und Mithilfe gebeten. Kennzeichen des Sträflings: rote Haare, blaue Augen mit buschigen Brauen, untersetzte Gestalt. Unbekannt war sein Aufenthaltsort, genauso wenig wusste man, was er anhatte, denn den Arbeitsanzug trug er gewiss nicht mehr.
„Habt ihr heute Morgen die Nachrichten gehört?“, fragte die Bibliothekarin, die Grete hieß, als Hilda das Gemüse brachte.
„Leider nein.“
„Es war aber wichtig!“ Und sie schilderte den Ausbrecher, der gut und gern auch hier in den Wäldern untergekrochen sein konnte. „Die Zwillinge haben wir schon ein paarmal gewarnt. Sie glauben uns nicht. Hoffentlich nimmst du es dir mehr zu Herzen.“
Die Bibliothekarin sprach auch mit Frau Roberts. Die war zwar überzeugt, dass
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