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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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kaum.
    Die Angst von heute sieht anders aus als früher, sie ist älter geworden, etwas konfuser und aus der Form geraten. Sie klingelt nicht, sie kündigt sich nicht an, sie ist einfach da und lässt sich nicht wegsingen. Ich kann dir nicht sagen, dass sie da sitzt, denn du würdest an den Rand fahren und meinen Kopf in deine Hände nehmen, wo vorher noch das Lenkrad war. Wahrscheinlich wäre dann alles wieder gut, aber ichmöchte dich nicht brauchen müssen, nicht jetzt schon. Du würdest deinen Arm um meine Schulter legen und mich hin und her wiegen und mit ruhiger Stimme sprechen, und ich würde mich für verrückt halten und nach ein paar Minuten sagen, es sei wieder okay. Vielleicht würdest du aus dem Fußraum eine alte Zeitung fischen und beginnen mir vorzulesen, kein großes Tamtam, nur meinen Blick umklammert halten, einen neuen Fokus suchen, damit ich mich konzentriere. Den Rest der Fahrt würde ich mich einfach nicht mehr umdrehen.
    Wenn ich dir nicht sage, dass sie da sitzt, die Angst, dann gibt es keinen Grund anzuhalten. Du fährst uns ans Meer und alles wird gut. Ich setze mich auf meine Hände und halte es aus, ich bin alt genug, und du kurbelst das Fenster herunter. Dich anzusehen und schon in diesem Moment zu merken, wie du mich veränderst, wie du dich mit jedem Kilometer in diesem Auto unentbehrlicher machst. Es ist so, es ist schwierig, dich nicht permanent an der Hand halten zu wollen.
    Also schiebe ich die Finger unter meine Oberschenkel und verhalte mich ruhig. Es stimmt nicht, dass die Angst verblasst mit der Zeit. Sie hat es sich einfach nur bequem gemacht, und ich bemühe mich, sie zu übersehen. Das dürfte so schwierig nicht sein, sie ist ja nichts Neues.

    Manchmal kamen mir Ortsnamen bekannt vor, dann verwarf ich eine vermeintliche Erinnerung wieder und wusste, ich war hier noch nie gewesen, hatte hier nie eine Gaststättebesucht oder ein Museum, einen Bauernhof besichtigt oder mit Menschen gesprochen. Mir wurde ein bisschen mulmig bei dem Gedanken, hier noch tagelang herumzugondeln, wir hatten noch immer kein Ziel, und Lene sah mit ihren in den Unterarm gekrallten Fingern nicht so aus, als hätte sie gleich die rettende Idee. Manchmal legte sie mir ihre Hand aufs Bein, ganz beiläufig und kaum zu spüren durch den Stoff der Hose. Das war ihre Art, Kontakt aufzunehmen, wir fuhren herum und sie hatte ihre Hand auf meinem Bein und ich musste hinsehen, um zu sehen, ob sie noch da war oder schon wieder dabei, trockene Haut von verschiedenen Stellen des Körpers zu pulen.
    Für mich war Lene nie ein kleiner Mensch gewesen, aber jetzt wirkte sie winzig, manchmal fast durchsichtig. Nahm ich sie in den Arm, fühlte ich mich viel größer und breiter, viel stärker als früher. Wenn sie einschlief, rasten ihre Pupillen hinter den Lidern wie verrückt hin und her, und manchmal schreckte sie aus ihrem Sekundenschlaf auf, schaute sich panisch um, schluckte laut, sah mich an und fiel dann zurück in den Sitz, als habe sie erwartet, woanders zu sein.
    Ich versuchte mir vorzustellen, wie es ohne Tim sein würde, wie ich Lene in der Uni treffen würde, allein, ich dachte an Silvester und Weihnachten, an die Semesterferien und wie wir vielleicht einen Abschluss machen würden, eine Party feiern dazu, aber es funktionierte nicht. Gern hätte ich Lene ewig in diesem Auto herumgefahren wie in einem Faradayschen Käfig. Aber nichts prallte an den Außenseiten des Wagens ab. Es wurde nur für einen Moment leiser, als wir staunend und fast geblendet am Rande eines gelbenRapsfeldes standen, die Hände an die Stirn gelegt als Schutz vor der gleißenden Sonne. Sie nahm mich an der Hand, die Finger kalt wie immer, das neue Immer, und wir liefen in das Feld hinein, die gelben Pflanzen reichten uns bis über die Bäuche.
    »Das sieht alles so harmlos aus«, sagte Lene, als wir in der Mitte des Feldes angekommen waren und sie sich erst ein paar Mal langsam im Kreis drehte und dann auf den Boden fallen ließ. Wir lagen auf dem Rücken auf brauner, trockener Erde, und in unser Blickfeld ragten nur gelbe Blumen und ein paar Fetzen weißer Wolken. Letzten Sommer hatte ich mit Friedrich in Schweden in einem Sonnenblumenfeld gelegen und gelacht, weil er sich über die Insekten beschwerte, die auf uns herumkrabbelten und über uns hinweg flogen. Er amüsierte mich, weil er mir den Rücken abklopfte, an dem noch Erde klebte, als wir wieder aufstanden, weil er seine Hosen noch im Auto von Krümeln befreite, und ich nannte

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