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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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fuhren in diesen kleinen Vorort, in dem jedes zweite Haus zu verkaufen war und nur alte Herrschaften durch die Straßen wackelten, die Arme ineinander eingehakt. Sie liefen nur nebeneinander her und sagten nichts und froren, als sie am Ufer des kleinen Sees standen. Als der Nebel zurückkam am Abend, hatten die paar Geschäfte im Ort schon geschlossen. Lene und Tim erzählten sich gegenseitig Witze und dann plötzlich wollte er in dieKirche gehen, nur kurz. Ihr war ganz seltsam zumute dabei, denn sie hatte ihn noch nie auf so einer Holzbank sitzen sehen, mit gesenktem Kopf. Der lag sonst nach langen Nächten einfach auf ihrem Bauch und sah jetzt plötzlich so fremd aus, wie ihm da die Strähnen ins Gesicht hingen und er die Augen geschlossen hielt, in sich selbst ruhend, weit entfernt von allem, auch von ihr. Beim Hinausgehen erwischte sie mit der Jacke einen Stapel Notenblätter, der auf einem kleinen Tisch neben der Eingangstür lag neben ein paar Bibeln und Gesangsbüchern. Die Blätter segelten langsam zu Boden, eines sogar fast durch die offene Tür hinaus ins Dunkel des Abends. Tim trat fast drauf, hob es dann aber auf, faltete es zusammen und steckte es in seine Jackentasche. Er legte den Arm um sie, und sie gingen zum Auto zurück, sie noch immer ein bisschen verwirrt, aber froh beim Geräusch der sich langsam in Fahrt brummelnden Heizung im Wagen. Sie fuhren langsam über die kleinen Landstraßen und Dörfer, die so dunkel dalagen, dass sie sich fragte, ob da überhaupt jemand wohnte oder ob das alles nur Kulissen seien, Häuser aus Pappmaché ohne Rückwand. Und während sie nachdachte, eigentlich völlig zufrieden, sagte er plötzlich in die Stille hinein: »Mach dir keine Sorgen. Das muss so sein. Dass man sich manchmal nichts zu sagen hat.« Sie schaute ihn verwundert an, aber er blickte auf die Straße und redete weiter: »Das passiert oft bei Menschen, bei denen man nervös ist, weil man Angst hat, dass es schiefgeht. Weil man immer denkt, man könnte zu viel oder zu wenig sein. Das sind die Menschen, an die man sich immer erinnern wird, die man nicht loslassen kann und die einen nicht gehen lassen.«Nun hielt Lene inne. »Ich hatte nie das Gefühl gehabt von Zweifel oder so was, und ich wusste nicht, wie er darauf kam, mir könnte unser Schweigen unangenehm sein. Aber wir sprachen auch nie wieder drüber. Ich hatte diesen Tag bis eben ganz und gar vergessen«, sagte sie und schaute auf ihre Finger, die so weiß auf ihren Beinen lagen, als gehörten sie jemand anderem. Dann sprang sie auf, reichte mir die Hand und sagte: »Wir müssen weiter.« Und es wurde wieder still.
6
    Als ich in den Rückspiegel schaue, ist es plötzlich wieder da, so plötzlich, als habe jemand einen Kieselstein von einer Brücke auf die Motorhaube
fallen lassen. Es piekt mit seinen Fingernägeln in meinen Nacken, ich muss mich nicht einmal umschauen, ich muss mich nicht vergewissern, denn in Bezug
darauf habe ich mich noch nie geirrt.

    Ich dachte immer, man würde mutiger mit den Jahren. Bei dir scheint das funktioniert zu haben, du sitzt dort und schaust einfach nach vorn und würdest nicht auf die Idee kommen, auf dem Rücksitz jemanden zu vermuten, eine alte Freundin, eine alte Feindin, die sitzen ja doch meistens nebeneinander. Ich schaue mich an. Mein Gesicht ist ein bisschen unscharf im Rückspiegel, eine Strähne steht schrägvon meinem Ohr weg. Ich kann über meine Schulter hinwegsehen. Dein Handy vibriert in der Schlüsselablage, ich erschrecke, mein Herz klopft, dich kostet es nur einen kurzen Seitenblick und einen Fingerdruck auf die richtige Taste. Dann ist es wieder ruhig. Du fährst, als hättest du nie etwas anderes getan, als könntest du dir dabei problemlos ein Omelett braten, das Lexikon auswendig aufsagen und Memory spielen.

    Mit den Jahren ist alles anders geworden, und ich wünsche mir eine Angst von früher zurück, irgendeine, die vor dem Dunkel zum Beispiel. Es gab so einfache Lösungen damals. Für die Angst vor dem Sprung und für das Unbehagen vor dem ersten Schultag. Da war immer jemand, der das schon einmal erlebt hatte, immer jemand, der wusste, was zu tun war, damit es aufhört. Die Ängste von früher waren nicht einzigartig, nur lauter kleine Duplikate. Man formulierte dann Ablenkungen, meistens die anderen, und zusammen sang man Lieder dagegen. Ja, die Ängste waren so, dass man Lieder singen konnte, damit sie kleiner wurden. Das hat tatsächlich funktioniert und ihr Verschwinden merkte man

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