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Und im Zweifel fuer dich selbst

Und im Zweifel fuer dich selbst

Titel: Und im Zweifel fuer dich selbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rank
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mich um, ging durch den Flur, überlegte kurz, ob ich noch einmal an Lenes Tür klopfen sollte, ließ es dann aber bleiben und schloss die Wohnungstür hinter mir. Im Dunkeln machte ich mich auf den Weg nach unten und betrat noch einmal den kleinen Hof. Mit dem Kopf im Nacken hoffte ich auf ein Schimmern, irgendeine Regung, aber dort, wo ihr Fenster am Tage zu sehen war, blieb es dunkel. Die Mülltonnen stanken von der Hitze des Tages, und als ich vor dem großen Haus stand und auf die Straße sah, auf der kein Auto und keine Straßenbahn mehr fuhr, war es schwer, Luft zu holen. Aber die Beine bewegten sich beinahe von allein, bogen ab und trugen mich herum. Nicht viele Leute warenum diese Zeit noch unterwegs, aber langsam kam die Vertrautheit zurück. Es ist seltsam, dass man es nie merkt, wenn jemand die Stadt verlässt oder hinzukommt. Fehlt dann aber einer, der dir nahe steht, macht es etwas aus. Jedes Straßenschild, jede Ecke bekommt eine Konnotation, die Dinge sehen verändert aus, obwohl sie sich nicht einen Zentimeter bewegt haben. Es ist, als sähe man alles ein paar Sekunden lang zum allerersten Mal. Einer weniger.

    »Ich bin’s«, sagte ich nur, nachdem ich geklingelt hatte. Friedrich war schneller an der Tür, als ich gedacht hatte. Kein Wort, aber der Summer. Und diesmal rannte ich beinahe die Stufen hinauf. Da stand er, eine Hand in die Hüfte gestützt, die andere Körperhälfte hinter der Tür versteckt. »Kann ich reinkommen?«, fragte ich. Friedrich nickte. Es roch nach Gemüsesuppe und ausgepusteter Kerze, auf dem Boden lagen Bücher und Zettel verstreut. »Ich räume auf«, sagte er auf meinen verwunderten Blick hin. »Wegwerfen und sortieren.« – »Sieht eher nach neuem Bodenbelag aus«, sagte ich und lächelte, aber er lächelte nicht zurück, sondern setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl, stellte die Füße auf den Rollen ab und schaute mich an wie Vince zuvor. Erwartungsvoll. »Was schaust du so?«, fragte ich und schob mit dem Fuß ein paar Blätter herum. Ein Zuhausegefühl hatte ich nicht wirklich erwartet, aber vielleicht eine Regung, die mich umstimmen könnte. Mir das Gefühl geben könnte, ich hätte mich geirrt, der Umstände wegen.
    Es passierte nichts. Dann stand Friedrich auf, kam aufmich zu und nahm mich in den Arm. Er legte die Hände um meinen Oberkörper, aber ich spürte sie kaum. Wie ein Pullover, der ein bisschen zu groß ist, es hätte auch eine dieser leichten, neuartigen Bettdecken sein können. Mir war nach Daunendecke, nach etwas Schwerem, unter dem man einfach liegenbleiben kann und warten, dass es warm wird. Aus dem der Kopf in die kalte Luft draußen ragt und die klaren Gedanken bewahrt, während der Körperrest einfach ausruht und langsam niedersinkt. Meine Hände umfassten seinen Rücken, erst jetzt fiel mir auf, dass das Radio lief. »Du hast mir gefehlt«, sagte er ein bisschen zu laut und rückte dabei ein bisschen von mir ab, um mir in die Augen zu sehen. Fragend. Ich sagte nichts darauf, sondern rückte erneut an ihn heran, verschränkte die Hände hinter seinem Rücken, schloss die Augen und atmete ein und aus. Wir schwankten ein bisschen, als ich mich anlehnte, fiel er beinahe um. Wir lösten uns voneinander, dann holte er Wein aus der Küche, und wir tranken jeder zwei Gläser, während er am Schreibtisch saß und ich auf dem Boden zwischen all dem Papier. Hin und wieder warf ich einen Blick darauf. Es waren Mitschriften aus dem Studium, ein paar Rechnungen, hier und da ein Werbeprospekt, ungelesene und gelesene Romane, ein paar Aufkleber. Auf manchen Zetteln jedoch standen Notizen, manchmal nur vier bis fünf Worte, ab und an ganze Absätze, Beobachtungen, direkt neben mir lag die Beschreibung eines Wartezimmers. Noch bevor ich ihn fragen konnte, wann er beim Arzt gewesen sei und wieso, noch bevor ich mich wundern konnte, dass ich nichts von seinem Schreiben, seinem Hang zu Notizen wusste, schlief ich aufdem Boden ein. Ich wachte auf, als es gerade wieder hell wurde und die Bäume vor dem Fenster nur als schwarze Linien auf rosa Grund zu erkennen waren. Kissen und Decke ließ ich liegen, Friedrich lag in seinem Bett und schlief. Tief und fest. Er wachte nicht auf von meinen Schritten in den Flur und aus der Tür, die Treppe hinunter. Einen Zettel hatte ich mitgenommen, darauf stand in Anführungszeichen: »Manche Dinge ändern sich nie.« Wahrscheinlich würde er es gar nicht merken.
    Zuhause angekommen öffnete ich alle Fenster und schlief mit dem

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