Und immer wieder Liebe Roman
Frau sich wünschen kann?«
»Nein. Ich habe nicht alles, was eine Frau sich wünschen kann.«
Am blauen Himmel zieht eine Wolke auf, bedrohlich. Vor wenigen Minuten noch war ich bereit, ihm zu sagen, dass diese Geschichte mit uns keinen Sinn hat. Jetzt habe ich geantwortet, ohne
weiter nachzudenken. Und schon bereue ich es. Die Wolke wird schuld sein.
»Wir müssen reden, Emma.«
»Ja, aber ohne eine Tragödie daraus zu machen. Nur um ein bisschen Klarheit zu bekommen.«
Schön wär’s.
Ich öffne die Flasche Britt und fülle den Kristallkelch. Das passt nicht zusammen, das Bier und die kostbaren Gläser. Man muss keinen Weinlehrgang absolviert haben, um das zu begreifen.
»Genauso waren wir. Du warst das Bier, du warst wild, dir war alles Äußere egal. Auch deine Familie. Du warst intelligent und fleißig, hast provoziert, hast ihre Pläne sabotiert. Ich muss dich um Entschuldigung bitten.«
»Wofür?«
»Weil ich schwach war, damals. Ich habe dem Druck nicht standgehalten.«
»Dem Druck. Aha. Dem Druck auf dem Bierfass?«
»Dem meiner Mutter.«
Am Meeresrand sind die Wellen so träge wie an einem schönen Sommertag. Ich wühle mit den Zehen im Sand, um Muscheln zu finden. Und um eine gewisse Haltung zu bewahren.
»Ich bin nie mit einem Mann ins Bett gegangen, den ich nicht geliebt habe. Daher hatte ich auch nicht so viele. Ich dachte, es sei dein Vater gewesen, der mich nicht leiden konnte.«
»Das bedeutet, dass du monogam bist. Ich aber, der ich zur unwürdigen Kategorie Mann gehöre, bin wie du.«
»Damals habe ich fast gar nichts über Sex gewusst. Nicht dass ich heute eine große Expertin wäre, um Himmels willen. Übrigens habe ich immer geglaubt, dass es meine Schuld war. Dass du mich verlassen hast, weil ich in jener Nacht bei der Besetzung diesen Typen geküsst habe. Keine Ahnung, wer das überhaupt war.
Ich habe mit allen Mitteln versucht, dich davon zu überzeugen, dass... dass ich es nicht gemerkt habe. Stattdessen ging es also immer nur um deine Mutter? Das ist ja reinstes Mittelalter. Warum hast du mir das nicht vorher gesagt?«
»Natürlich bist du ein ganz schönes Scheusal gewesen an jenem Tag. Die ganze Zeit haben wir auf den ›richtigen Moment‹ gewartet, und damals hätten wir es garantiert getan. Und was machst du? Du knutschst in der Aula mit diesem pickligen Kotzbrocken herum. Ich konnte dich nicht mehr anfassen. Ich hätte auf lange Zeit impotent werden können.«
»Ach komm schon, Federico, wir wussten doch gar nicht, was wir taten. So etwas hat man eben gemacht in unserem Alter. Es waren die Jahre der sexuellen Revolution, Federico, wir fühlten uns doch gewissermaßen dazu verpflichtet, weißt du das nicht mehr? Und ich habe ihn nur geküsst, das habe ich dir tausendmal erklärt.«
»›Erinnerungen können täuschen.‹ Das hat, glaube ich, Edgar Morin gesagt. Jedenfalls war es das nicht. Sie war es, Emma. Sie wollte nicht, dass ich mit dir zusammen bin. Das ist mittelalterlich, du hast recht, aber so war es nun einmal. Ich konnte die Szenen und ihr Gesicht nicht ertragen, sie hat mir unseren Reichtum unter die Nase gerieben, die Opfer, die Papa gebracht hat, alles aus eigener Kraft. Sie hatte immer noch die Hoffnung, dass ich seine Firma übernehmen und im Rotary-Club eine Frau finden würde. Die Besetzung der Fakultät... Es war übrigens Daniele. Du hast mit Daniele auf dem Boden gesessen und herumgeknutscht. Das war ein vorgeschobener Grund, dass ich mich danach von dir getrennt habe. Wieso hast du das nicht gemerkt?«
»Das mit deiner Mutter? Ich weiß es nicht, mehr kann ich nicht dazu sagen. Alles andere wäre Manipulation der Erinnerung.«
»Weißt du was? Als du mir die ersten Briefe geschrieben hast, habe ich es für eine Ausrede gehalten, dass du dich angeblich an nichts erinnern kannst. Für ein Schutzschild. Ich dachte, du willst einfach nicht darüber reden. Als sie starb, habe ich mich in eine Art Niemandsland zurückgezogen. Nur ich allein, und ich komme da nicht mehr hinaus. Außer, wenn ich mit Sarah zusammen bin. Und mit dir.«
Auf der Höhe meines Brustbeins entsteht ein Schmerz, und ich habe Sodbrennen. Das ist eine alte Geschichte, die sich da zwischen mich und seine Mutter schiebt. Die Mama. Es wäre ein echter Triumph, wenn ich all das jetzt jemandem vorwerfen könnte, wie im Roman, wenn am Ende das Geheimnis, das die Leser in Bann gehalten hat, gelüftet wird. Ich war ihr einfach unsympathisch, ich gefiel ihr nicht. Sie wollte für ihre
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