Und immer wieder Liebe Roman
geheimnisvoll. »Für Maurizio. Er weiß schon.« Wer ist Maurizio, und was weiß er, das wir nicht wissen? Die Widmung
kann sich auf einen Ehemann, einen leiblichen Sohn oder den Sohn aus einer unvorsichtigen Liebe beziehen, auf den Großvater, auf den besten Freund, der dutzendfach Entwürfe gelesen und Dankbarkeit verdient hat, auf den Literaturagenten, der einen guten Vertrag ausgehandelt hat, auf den Bäcker, den Schmied, den Cousin, eine alte Liebe, der auf diesem Weg eine Flaschenpost geschickt wird. Die Widmung eines Autors gilt Menschen ohne Antlitz. Maurizio könnte schon tot sein, wieso also widmet man ihm einen Roman, den er gar nicht mehr lesen kann?
Nein, mir gefallen vor allem die Danksagungen. Es sind entweder kurze, knappe Sätze – »Dank an Tizio, ohne den dieser Roman nie das Licht der Welt erblickt hätte« – oder besser noch: Ergüsse über viele Seiten, die ein Röntgenbild ganzer Existenzen darstellen. Hinter einem Dankeschön kann man sich vieles vorstellen: den Tagesablauf eines Autors oder einer Autorin, das Arbeitszimmer, den Notizblock, einen Computer oder eine Schreibmaschine, eine Wohnung, die Bibliothek, eine ganze Stadt, einen Schreibtisch, einen Tisch in der Bar, eine Parkbank; man sieht die Tasse dampfen, man sieht den überfüllten Aschenbecher, das abgeschaltete Handy, das Gesicht eines Kindes, das an die Tür klopft und verkündet: »Das Essen ist fertig, die Mama (oder der Papa) fragt, ob du etwas essen möchtest.« Hinter einer Danksagung stehen Freunde, Berater, matte Gesichter von Lesern erster, zweiter, dritter Entwürfe, ein Lektor, der Ratschläge erteilt hat, der gestrichen, gestritten und am Text gefeilt hat. Den Familienangehörigen wird immer gedankt. Ihr Leben ist Rohstoff und vermischt sich unwillkürlich mit dem der Protagonisten. Dafür werden sie jetzt in der Danksagung entschädigt. Auch für die wochenlange, monatelange, jahrelange Abwesenheit des Autors. Danksagungen sind die Gelben Seiten eines Romans und verleihen den Worten ein ganz individuelles Gesicht.
Es ist halb neun, als Cecilia hereinschneit. Seit sie ihren ersten Heiratsantrag bekommen hat, ist sie reizbar und nervös. Sie kauft einen Roman nach dem anderen, um ihre Schlaflosigkeit zu besiegen. In Wahrheit möchte sie aber nur mit jemandem reden, der sie nicht belügt. Und eine Tasse Tee trinken.
»Emma, kann ich dir helfen? Ich habe noch eine halbe Stunde, bevor ich in den Käfig muss«, sagt sie und deutet auf die Pakete mit den Neuerscheinungen, die ich gerade inspiziere.
»Sehr gerne, Schätzchen, ich bin allein, und die Kisten haben ein ganz schönes Gewicht. Lass dich mal anschauen, du bist so blass. Wenn es dir so zusetzt... weißt du, niemand zwingt dich zu heiraten.«
Es ist nutzlos, um den heißen Brei herumzureden: Bei Cecilia wird das nichts mit den Gleichaltrigen. Ihr Vater ist mit seiner Sekretärin durchgebrannt, als sie fünf war – es war eine Flucht, wie sie im Buche steht. Bei einer Tochter sitzt so etwas tief.
»Weißt du, einerseits gibt er mir ein so gutes Gefühl – ich fühle mich sicher bei ihm -, aber manchmal denke ich, dass ich einen großen Fehler mache. Immerhin ist er zwanzig Jahre älter als ich, und wenn ich so alt bin wie er jetzt, ist er bereits siebzig. Vielleicht ist er dann schon lahm oder hat Alzheimer.«
»Es hängt alles davon ab, wie ihr diese zwanzig Jahre verbringt, die euch in Gesundheit verbleiben, meine Liebe. Ihr könnt sogar ein Kind bekommen, schau dir Chaplin oder Picasso an. Es gibt viele alte Väter in der Geschichte«, sage ich und schlucke nervös, während sie mir hilft, auf dem Brett unter dem Fenster die neuen Titel zu arrangieren.
»Roberto hatte mit seiner ersten Frau keine Kinder, und er hat schon gesagt, dass es ihm gefallen würde, schnell welche zu bekommen.«
»Siehst du? Also: Nur Mut, das wird schon werden mit euch
beiden. Wir feiern ein großes Fest. Mir gefällt die Geschichte mit dem Witwer. Und was das Alter betrifft: Sehe ich so aus, als würde ich demnächst eine lahme Ente sein?«
»Du bist etwas Besonderes, Emma. Ist meine Pamela übrigens schon gekommen?«
»Ja, ich habe dir ein Exemplar zur Seite gelegt. Komm, trink vorher aber noch eine Tasse Tee mit mir. Das Lokal öffnet erst um zehn, und ich weiß nicht, wie man die Kaffeemaschine anwirft.«
Pamela ist der Roman, auf dem eine Fernsehserie basiert, die sämtliche Damen in meinem Bekanntenkreis außer Rand und Band geraten lässt. Seit Wochen führt er
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