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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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Ich habe ein so starkes Bedürfnis, Dich zu sehen. In zwei Wochen werde ich nach Paris reisen und ein paar Tage im Büro sein, und eigentlich wäre es doch die natürlichste Sache der Welt, wenn wir uns dort treffen würden. Ich kann nicht auf den 10. April warten. In diesem Moment, in dieser Buchhandlung, die Dir so gut gefallen würde, wäre es ein unverzeihlicher Fehler, so viel Zeit ins Land gehen zu lassen bis zu unserem nächsten Wiedersehen. Was hältst Du davon? Und wenn es nur für einen Tag wäre, ein Tag in Paris. Denk darüber nach und berichte mir vom Hotel: Schaffst Du das alles, und findest Du noch Zeit für Dich selbst?
    Dein Federico
     
     
    Es ist sieben Uhr, aber der Himmel ist immer noch hell. Ich kann es kaum erwarten: Endlich kommt ein berühmter Hotelgast in mein bescheidenes Etablissement. Ich bin wahnsinnig aufgeregt. Mr. Patrick McGrath ähnelt seinen Romanfiguren, denke ich, es kann gar nicht anders sein. So jedenfalls wirkt er von weitem: Er ist ein großer, schwerer Mann mit äußerst heller Haut und grauen Fäden in den rötlichen Haaren. Ich weiß, dass er Sohn eines Psychiaters ist und einen Großteil seiner Kindheit in England verbracht hat. Gleich auf den ersten Seiten seiner Romane lässt er uns in die Seelen der Kranken eintauchen (viele seiner Figuren sind psychisch krank, was vielleicht eine Methode ist, um eigene Ängste zu besiegen). Der Hüne hält eine schöne Frau an der Hand, Maria Aitken, seine Frau, eine Schauspielerin. Sie bleiben
vor dem Schaufenster stehen, und auf sein Gesicht tritt ein entschieden verblüffter Ausdruck. Alice ist in der Buchhandlung geblieben. Er schüchtere sie ein, hatte sie erklärt.
    »Wunderschön, Miss Emma. Das ist sehr anregend, danke«, sagt er zur Begrüßung.
    »Es war mir eine Ehre! In der Literaturgeschichte haben wir Tolstois Russland, Thomas Manns Deutschland, das England Ihres Kollegen Ian McEwan... und eben die Irrenanstalten von McGrath. Ich habe versucht, ein Eckchen einer psychiatrischen Anstalt nachzubilden, so wie ich es mir bei der Lektüre vorgestellt habe. Ihr Vater wäre sehr stolz auf Ihren Erfolg mit Stella. «
    Mein Englisch funktioniert immer noch bestens, auch wenn ich so spreche, als müsste ich mich ständig entschuldigen.
    »Leider ist er kurz vor der Veröffentlichung gestorben«, antwortet mein Gast, lächelt aber weiterhin äußerst freundlich, als hätte er im Gegensatz zu mir ein reines Gewissen.
    Der Wahnsinn, wie ich ihn mir vorstelle, ist kalkweiß. Im Farbengeschäft habe ich Gipspulver gekauft, habe es mit Wasser vermischt und vier Seiten des Schaufensters damit bepinselt. An die Rückseite habe ich ein steif gestärktes Bettlaken gehängt. Zwei Schaufensterpuppen tragen Zwangsjacken, eine Leihgabe von Doktor Dominelli, meinem Nachbarn, der in der Psychiatrie in Mombello arbeitet. Die Schaufensterpuppen betrachten sich mit einem gewissen Misstrauen, die beiden Styroporköpfe, denen ich Augen aus Zeitungsausschnitten aufgeklebt habe, sind mit Hutnadeln fixiert. Auf dem Boden liegen ein Kamm, eine Tasse, ein Teller und ein Regenschirm (in Romanen mit Verrückten kommen immer Regenschirme vor). Zur Abrundung des Gesamteindrucks habe ich alles mit Gips bestäubt, auch die vier Bücher. Die Bücher muss ich hinterher zwar wegwerfen, aber das ist mir der
Effekt wert: Groteske, Spider, Dr. Haggards Krankheit und Martha Peake, das wir morgen vorstellen werden. Mittendrin prangt ein Stapel von Stella, ein paar Exemplare habe ich auch in die Ärmel der Zwangsjacken gesteckt. Überall nur Bücher mit grauem Cover. Ich bin zufrieden und schaue ihn an, um zu sehen, wie es auf ihn wirkt.
    »Stella ist nicht durchtrieben, Mister McGrath. Sie ist ein Opfer. Selbstmord ist das einzige Mittel, um die entwürdigende Niedertracht abzuwenden, die sie unter dem Einfluss der Leidenschaft an den Tag legt. Da gibt es den Psychiater, der sie von der ersten bis zur letzten Seite kontrolliert. Oder den gefühlsarmen Ehemann, der sie nicht liebt, nicht berührt, ihr keine Zärtlichkeit mehr schenkt, wenn er das überhaupt je getan hat – wer ist hier der Böse, Mister McGrath?«
    Was reitet mich nur? Sollte ich nicht besser vom Wetter reden?
    »Stella ist eine Frau, die von der sexuellen Besessenheit in den Abgrund gerissen wird«, antwortet er, und es wundert mich nicht, dass er von seinen Protagonisten redet, als würde er sie persönlich kennen. Er muss Leute wie mich gewöhnt sein, denn er bleibt vollkommen gleichmütig. Seine

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