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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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den Abend erreichen, ohne von der Leere überwältigt zu werden. Man kann stolz sein, weil man niemanden braucht, dem man etwas erzählen kann. Die Einsamkeit dieses meerblauen Schoßes ist die Summe der Momente ohne menschlichen Kontakt, und sie ist nichts gegen das Gewicht der Einsamkeit zu zweit.
    Heiter und unbefangen hatte ich mich nach meiner Scheidung auf ein Alter ohne Ehemann eingestellt, hatte mich schon als Oma gesehen. Und nach und nach hatte ich wieder gelernt zu atmen. Ohne Abhängigkeiten, nur in Gesellschaft meiner Bücher, dieser Wesen, die so reich an Möglichkeiten sind. Die schöne grüne Schrift hat gereicht, um jede Sicherheit wieder in sich zusammenstürzen zu lassen.
    Auf dem Bett breite ich diesen letzten Fingerabdruck unseres
Briefwechsels aus. Hinter den filigranen Zeichen verbergen sich die sinnlosen Gründe einer grausamen Entscheidung. Einsamkeit. Es gibt Leute, die das mit Ungeselligkeit verwechseln.
    Ich schaue zum Fenster hinaus und weiß nicht, wie ich sie nutzen soll, diese Freiheit, die plötzlich auf mich herabregnet, obwohl sie mich nicht mehr interessiert. Die Kirchturmuhr schlägt irgendeine Stunde, aber ich bekomme nicht mit, welche. Ich öffne das Fenster ein Stück, und der Geruch des Meeres dringt mir in die Nase. Salz, Sonne, kühle Nacht. Ein komplexer Geruch, den schon viele zu beschreiben versucht haben.
    Methodisch arrangiere ich die Töpfchen mit Antifalten- und Nachtcreme, meine Ampullen mit Augenlotion, die Kakaobutter, den Ohrringhalter, das schwarze Mascara und den Eyeliner von Chanel auf der Badezimmerablage. Wie in den guten alten Zeiten habe ich mich am Flughafen eingedeckt. Man darf sich nicht vernachlässigen. Nicht einmal, wenn man von einem Mann verlassen wurde. Das Zimmer bleibt anonym. Eine Minibar gibt es auch nicht.
    Genug.
     
    Ich kenne jeden Zentimeter dieses Fußbodens. Mit geschlossenen Augen könnte ich jede Windung und Wölbung des Holzes beschreiben und die Maserung zeichnen, aber nicht einmal die Kleider, der Topfhut auf dem Tischchen und die Buchcover können diesen zwanzig Quadratmetern im Moment noch Farbe verleihen.
    Es ist Zeit für ein Bad. Ich gieße Lavendelessenz ins Wasser. Fort mit den Sägespänen der Seele. Draußen kreischen die Vögel, ein ohrenbetäubendes Geräusch, leidend und voller Wut. Sie wollen auf sich aufmerksam machen. Wie ich.

     
    Am nächsten Morgen wache ich mit steifen Gliedern auf. Wenn ich nur meine Finger strecke, verspüre ich Schmerzen. Vor allem an den Daumen. Ich gehe hinunter, bereit, mir selbst zu trotzen. Den verblüfften Blick von Monsieur Mouline, bei dem ich ein Fahrrad miete, ignoriere ich. Es ist silberfarben und hat Reifen wie ein Mountainbike. Kein Vergleich mit meinem schwarzen Bianchi mit dem Strohkorb und den Blumen am »Damenlenker«, wie Mattia ihn immer nennt. Monsieur Mouline erinnert mich an etwas, das ich selbst bestens weiß: Belle-Île ist eine Insel mit Steigungen und rauen Klippen. An den Wind habe ich nicht gedacht, diese lärmende Masse, die von allem Besitz ergreift, in die Täler fegt, über die Schieferdächer streicht, sich in den Speichen des Fahrrads bricht, das sich die Straße entlangschleppt. Die Wipfel der Zypressen tragen Mönchskutten. Alles ist finsterer, als ich es in Erinnerung habe, dabei ist es nur ein Jahr her, seit ich das letzte Mal hier war. Auf der ersten holprigen Straße halte ich noch tapfer durch und trete mit unmenschlichen Kräf ten in die Pedale. Wenn ich es schaffe, ist es eine unglaubliche Befriedigung, jeder Pedaltritt ein Sieg in meinem persönlichen Unabhängigkeitskampf.
    Ich fahre alle Etappen dieser Liebe noch einmal ab, um mich von den Erinnerungen befreien zu können. Abbrechen, zerstückeln, zerkleinern erleichtert die Verdauung. Ich möchte, ja, ich muss traurig sein – das ist Teil der Therapie.
    An dieser Geschichte ist alles so verdammt offensichtlich, und ich quäle mich die Straße hoch. Sie durchschneidet Mohnfelder. Wenn die Pflanzen tatsächliche opiatische Wirkung haben, könnten sie mir vielleicht helfen, meine Angst zu besänftigen. Meine Muskeln sind angespannt wie Schnüre, meine Lungenflügel blähen sich, ich atme tief ein und aus, die Milchsäure zehrt an meinen Beinen.

    Jetzt nähere ich mich den unbelebten Wesen.
    Es sind Steine, Emma. Sie denken nicht, sie reden nicht, sie spüren nichts.
    DenTopfhut tief in die Stirn gezogen, als fürchtete ich, dass sie mich erkennt, berühre ich sie. Da ist es, mein steinernes

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