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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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ist die Liebe futsch. Ich könnte nie etwas mit einem Bänker anfangen oder einen Brief »runterladen« – ich hätte viel zu viel Panik, dass ich ihn nie wiederfinden könnte. Unser Postfach ist eine einbruchsichere Zuflucht.
    Lass uns gut darauf aufpassen,
    Emma
     
     
    »Schau mal, wie schön das aussieht. Sie nehmen wenig Platz weg, und das Buch kommt direkt neben die DVD. Ist das nicht ein schönes Paar?«
    Ich habe nachgegeben (wie ich immer nachgebe, wenn sie auf etwas beharrt), und ich muss gestehen, dass sie recht hat. Das Regal, das den auf Liebesromanen basierenden Filmen gewidmet ist, macht sich im Großen und Ganzen gut. Anfangs war ich skeptisch. Trotz der guten Absichten und der Werktreue der Regisseure vereinfachen und missbrauchen Filme komplexe Geschichten
und wunderbare Liebesbeziehungen nur allzu oft. Ich habe Michael Ondaatjes Der englische Patient nicht gelesen, aber der Roman hat sich erst nach dem Tod von Ralph Fiennes und Kristin Scott Thomas und den unzähligen durchschnupften Taschentüchern in den Händen der Kinobesucher so richtig gut verkauft. Im Schaufenster lehne ich die Romane an Filmrollen, die mir der Fotograf aus der Via Torino geschenkt hat. Er schließt. Die Miete ist zu teuer, und er schafft es nicht mehr. Er hat mir auch Rollfilme und Filmdosen gegeben, außerdem Familienfilme, die niemand abgeholt hat. Wie man bei einem wildfremden Menschen Firmungen oder Geburtstage zurücklassen kann, ist mir zwar schleierhaft, aber er hatte eine ganze Schachtel davon und wollte sie eigentlich schon wegwerfen.
    »Ich ziehe aufs Land zurück, in die Romagna«, sagte er, »und ich hinterlasse es Ihnen als kleines Erbe, Emma. Außer Ihnen kann niemand etwas damit anfangen. Irgendwann rufe ich Sie mal an und lasse mir Bücher schicken. Meine Rosa und ich haben ja jetzt mehr Zeit zum Lesen.«
    Ich wünsche mir sehr, dass Signor Cremaschi sich vor seiner Abreise noch mein Schaufenster anschaut – als Inspiration für seine Mußestunden sozusagen. Ich habe es als Künstlergarderobe dekoriert: Der Spiegel im Zentrum der Szenerie ist von Glühbirnen, Fotos von Schauspielerinnen, Postkarten und Eintrittskarten eingerahmt. Auf dem Tischchen stehen ein Parfümflakon, eine rote Rose, leere Cremedosen, Romane und Alices DVDs. Auf den Stuhl habe ich weitere Bücher gestapelt, und über der Rückenlehne hängt ein beigefarbenes Seidenkleid. Auf dem Toilettentisch prangt eine Blumenvase (und jetzt der Clou: zwischen den Zweigen steckt das Billett eines Verehrers). Rechts im Fenster steht ein Metallständer, den mir die Wäscherin geliehen hat, und an den Bügeln hängen Kostüme. An jedem Kostüm und an
jedem Accessoire ist ein Filmtitel befestigt: das kleine Schwarze aus Frühstück bei Tiffany samt langen Handschuhen und Hut; eine Safari-Jacke à la Jenseits von Afrika. Ein Tüllrock und eine gepuderte Perücke hängen an Filmstreifen herab; auf das dunkle Samtkleid aus Der scharlachrote Buchstabe habe ich ein A genäht und es neben die geblümte Schürze gehängt, die jener ähnelt, welche Francesca in Die Brücken am Fluss trug; ein Hütchen mit Schleier steht für Zeit der Unschuld. Auf dem Boden habe ich Schuhe verteilt, sie stehen in Reih und Glied unter den Kleidern, Absätze acht bis zehn Zentimeter hoch. Sie stammen aus meinem Schuhschrank, es sind alles Modelle, die ich nicht mehr trage, die ich aber auch nicht einfach wegwerfen kann.
    Ich bin bei der Post gewesen. Federicos letzter Brief hat eine Angst in mir ausgelöst, die ich nicht haben möchte.
     
     
    New York, den 30. November 2001
BBB, 41 E 11 th St
     
    Liebe Emma,
    ich schreibe zügig, als würde ich mit Dir sprechen. Die Bäume unter meinem Fenster sind in Gold getaucht an diesem kalten, gleißenden Tag. Der Geruch von Ground Zero ist überall, er kommt vom Fernsehbildschirm, aus dem Radio, von der Straße, aus Sarahs Fragen und aus denen ihrer Klassenkameraden. Nie zuvor habe ich sie über ihre Zukunft reden hören – immer nur von der Gegenwart, wie es in ihrem Alter üblich ist. Jetzt hingegen... Wenn ich ihnen zuhöre, schnürt es mir auf Höhe des Brustbeins die Luft ab. Und ich bekomme Angst, ja, eine unterschwellige Wut.
    Ich warte auf einen befreundeten Journalisten, um ihm Material für einen Artikel über unser Projekt zu geben. Dabei lese ich
Edgar Morin (ein Geschenk von Frank). Der Philosoph schreibt: »Jene, die die Menschen in ihrer Andersartigkeit sehen, neigen dazu, ihre Gemeinsamkeiten gering zu schätzen oder

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