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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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Auf mich wirken sie nicht wie Gauner, sondern eher wie Leute, die gerne schöne Dinge austauschen. Ein Buch, einen Blick, einen Film, Meinungen über ein Theaterstück oder eine Ausstellung, die sie gesehen haben. Sie reden über private Dinge. Ich beobachte sie aus meinem Winkel und amüsiere mich damit, mir fiktive Biografien für sie auszudenken, und nur, indem ich etwas über sie erzähle, irgendetwas, scheinen sich unsere Leben ein wenig zu vermischen. Bei der Lust&Liebe-Buchbörse kann man neue Romane kaufen oder eigene Liebesromane tauschen. Eine Geschichte mit Happy End
ist zwei mit tragischem Ausgang wert, und für einen Roman mit einem männlichen Ekelpaket als Hauptfigur bekommt man zwei mit Schreckschrauben in dieser Rolle. Die Kunden stellen einen Haufen Fragen und bringen mich manchmal ernsthaft in Verlegenheit.
    Seht zu, wie ihr zurechtkommt, denke ich dann ärgerlich. Wo steht eigentlich geschrieben, dass eine Buchhändlerin die Handlung sämtlicher Romane in ihrem Sortiment kennen muss?
    Um die Mittagszeit hat die Buchbörse schon die ersten Erfolge zu verzeichnen. Zwei von vier Anna-Karenina-Exemplaren sind bereits vom Tisch verschwunden (legal – ich habe die Kassenzettel). Das ist ein guter Schnitt, wenn man bedenkt, dass dieser Text ein Selbstläufer ist, seit er zwischen 1873 und 1877 erstmals als Fortsetzungsroman veröffentlicht wurde.
    »Sie ist eine Heulsuse.«
    »Wer?«
    »Anna Karenina. Sie hat sich vor einen Zug geworfen und das einzige Ende gefunden, das sie verdient hat.«
    »Kommt Ihnen das nicht ein bisschen vorschnell vor? Und warum überhaupt Heulsuse?«
    »Seit sie den armen Wronski zum ersten Mal getroffen hat, seit sie zum ersten Mal mit ihm ins Bett gegangen ist, heult sie. Sie will, dass er sich jedesmal, wenn er sie anschaut, wie ein Lump vorkommt. Anna Karenina hat nicht das Format für eine Geliebte. Die wahren Geliebten wissen von Anfang an, welcher Platz ihnen zukommt. Und außerdem ist sie doch verheiratet, nicht er.«
    »Die Liebe fragt nicht nach dem Personalausweis. Sie ist blind, das ist doch bekannt.«
    »Wronski ist der wahre Held der Liebe. Außerdem gehen Ehebrüche im Roman immer schlecht aus, das ist auch bekannt.«
    Die Stimme hinter mir hat eine baritonale Färbung. Ich kann nicht widerstehen und drehe mich um.
    »Ich glaube, Anna Karenina ist einfach eine romantische Person. In ihr steckt, wie der Autor es formuliert, die Leidenschaft einer armen Frau, die das Spiel verloren hat. Das passiert vielen, glauben Sie nicht, Signor... Signor...«
    »Carlo, Carlo Frontini, sehr erfreut. Verstehen Sie mich nicht falsch, Emma. Anna Karenina ist ein Meisterwerk der Literatur: die Handlungsstruktur, die Modernität des Stils. Nur die Karenina selbst ist unerträglich. Man kann schließlich einen Roman mögen, ohne die Hauptfiguren zu lieben, oder? Geben Sie mir doch ein Exemplar bitte, aber kein Taschenbuch, ich mag nur gebundene Bücher. Ich möchte es der Freundin schenken, die mich zum Mittagessen erwartet. Wronski ist ein Heiliger, glauben Sie mir. Außerdem ist ja bekannt, dass Tolstoi ein Frauenfeind war.«
    Frontini ist ein schöner Mann mit grau meliertem Haar. Er hat einen grünen Lodenmantel über seinen braunen Wollpullover gelegt, dazu trägt er ein kariertes Holzfällerhemd und eine Drillichhose. Bücher sind seine Leidenschaft, und seine Sympathie für die Buchhandlung ist offenkundig. Eine etwa vierzigjährige Frau mit aufgequollenen Lippen und explosiven Kurven nähert sich ihm mit schmachtendem Blick. Offenbar denkt sie, dass hier auch Ehemänner getauscht werden, und wir lassen sie ganz einfach in diesem Glauben.
    »Hier auf dem Platz hat eine Buchhandlung wie Ihre wirklich gefehlt. Jetzt muss man nur noch den Tabakhändler davon überzeugen, sonntags aufzumachen. In dieser raucherfeindlichen Stadt findet man nicht einmal mehr in der Innenstadt welche, und die Zigarettenautomaten sind kapriziös und benutzerunfreundlich.«

    »Tja«, setzte ich mich darüber hinweg, dass »kapriziös« kein geeignetes Wort für eine Maschine ist, »dafür könnte ich Ihnen aber eine Tasse Tee oder Kaffee anbieten, wenn Sie mögen. Und was Tolstois Frauenfeindlichkeit angeht: Vor vielen Jahren habe ich mal die Kreutzersonate gelesen, Signor Frontini, aber es wäre interessant, sie unter diesem Aspekt noch einmal zu überdenken. Das ist die perfekte Ehebruchgeschichte. Große Literatur und große Musik für eine Geschichte, die damit endet, dass der eifersüchtige

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