Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
Vom Netzwerk:
Mozzarella in den Griff zu bekommen.
    »Bei dem Getanze?«, frage ich.
    »Nein, wenn man seine Pizza mit den Fingern isst.«
    Ich sitze sozusagen in einem Lesesaal unter freiem Himmel. Meterweise balancieren einsame Leser, die sich auf das sommerliche Nichtstun konzentrieren, Buchseiten auf den Knien.
    Ein Mädchen mit schulterlangen Haaren lächelt mich an – genauso wie man es von einer Krankenschwester, einer Grundschullehrerin oder einer Lolita erwartet. In ihren Augen bin ich wohl ein bemitleidenswerter Single. In meinen Augen bin ich das auch.
Ich spüre eine Wehmut, die dazu führt, dass ich mich unanständig und unproduktiv fühle. Seit Tagen bekomme ich kaum noch Luft – meine Allergie -, die Wehmut tropft mir aus der Nase und aus den Augen. Ich betrachte das tanzende Paar, diese beiden sonnigen, glücklichen Gemüter. Du hast recht, Emma, die Allergien der Liebe sind in jedem Alter gleich. Das kann zweierlei bedeuten: Entweder bin ich in der Jugend stecken geblieben, oder die Erkältung, die über den kritischen Punkt des Frühlings hinweg immer noch anhält, verweist auf das Unabwendbare. Unser Alter verlangt es, den Sinn für Humor auch dann zu bewahren, wenn es nichts zu lachen gibt. Man zwingt uns zu lächeln, selbst wenn es viel angebrachter wäre zu heulen – und zwar ausgiebig, sehr ausgiebig, ja endlos. Ich bin natürlich tapfer und bewahre die Fassung, konzentriere mich auf meine Schritte, ziehe den Spaziergang in die Länge wie Kaugummi, schütte mich mit Arbeit zu und schaffe es jeden Tag von Neuem bis zum Abend, indem ich den Moment hinauszögere, da ich mich wie ein Lump fühlen und keinen Frieden mehr finden werde.
    Inzwischen hat mein Nachbar seine Pizza aufgegessen. Gerade wischt er sich die fettigen Finger an einem weißen Baumwolltaschentuch ab. Einem Damentaschentuch.
    Ich gehe jetzt ins Büro zurück, doch zuvor werfe ich diesen Brief aus der Freiluftgeriatrie ein. Schreib mir, ich brauche Deine Briefe.
    Federico
     
    P.S. Ich habe Dir ein Exemplar der Biografie von J. P. M. geschickt. Das ist reiner Egozentrismus, denn ich weiß, dass Du beim Lesen an mich denken wirst.

     
     
    Mailand, den 30. Juli 2002
Lust & Liebe
     
    Lieber Federico,
    was ich an Dir liebe – außer Deinem Mund und dem ganzen Rest -, ist Dein Gleichgewichtssinn, Deine Fähigkeit, mit ausgebreiteten Armen und schwankendem Körper auf dem Drahtseil zwischen Vernunft und Gefühl zu balancieren. Das hast Du mit Pierpont gemeinsam. Dank der Biografie kommt er mir jeden Tag ein paar Seiten näher. Es ist, als würden wir sie gemeinsam lesen. Da die Geschichte Deines Morgan nach Themen geordnet ist, habe ich die Idee aufgegeben, chronologisch vorzugehen, und wähle stattdessen die Stellen aus, die Du in Deiner Darstellung vernachlässigt hast. Jene also, die über sein Liebesleben Auskunft geben. Ich habe übrigens eine Hypothese entwickelt: J. P. M. ist deshalb einer der größten Sammler schöner Dinge geworden... um die Leere zu füllen, die der Tod seiner ersten Frau hinterlassen hat. Ich sehe Dich vor mir, wie Du Deinen Mund verziehst, ich sehe die ironische Grimasse und Dein zauberhaftes Lächeln. Aber es ist immer die erste Liebe, die ihre unergründlichen Spuren in den Menschen hinterlässt; diese Grundwahrheit ist unumstößlich. Wir tragen sie in uns, diese Spuren, und sie wühlen selbst nach Jahrzehnten noch unser Innerstes auf. Denk doch nur nach: J. P. M. ist dreiundzwanzig, als er der jungen Amelia Sturges, genannt Memie, aus einer der – wie sollte es auch anders sein – reichsten New Yorker Familien begegnet. Romantisch und impulsiv wie sie ist, verliebt er sich in sie, aber schon wenige Monate später, im Frühjahr 1861, wird bei Memie eine gefürchtete Krankheit diagnostiziert: Tuberkulose. Morgan heiratet sie trotzdem, fährt mit ihr auf Hochzeitsreise nach Algerien und dann an die Côte d’Azur. Das Klima in Nizza wird sie heilen, da ist er sich sicher. Vier Monate später, am 4. Februar 1862, stirbt Memie. Mit
vierundzwanzig ist Morgan bereits Witwer. Und er ist untröstlich, stürzt sich in die Geschäfte, tut, was sein Vater sagt, frisst seinen grausamen Kummer in sich hinein, verwandelt ihn in Geld und Macht. Memie findet er nachts wieder, wenn er die leere Hülle ihres Ehebetts betrachtet.
    Wie seine zweite Frau wohl war, die er nach dem Krieg geheiratet hat, Frances Louisa Tracy, von ihren Freunden Fanny genannt? Diese große, stattliche, strenge, selbstsichere, aber zutiefst langweilige

Weitere Kostenlose Bücher