Und immer wieder Liebe Roman
Geliebten von Paris aufs Land geht. Es waren die Jahre der Schwärmerei für gescheiterte Liebesgeschichten und unmögliche Beziehungen. Am Ende stirbt Margherite, und die Empfindungen erreichen ihren Höhepunkt – in einem Gefühl der Befreiung.
In der Kameliendame habe ich mich damals wiedergefunden. Schlussendlich hat mich niemand verhaftet, und der Fotoband mit seinen 380 Seiten ist heute noch ein Prunkstück meiner Hausbibliothek.
Mein Dieb ist mittelgroß, hat ein fliehendes Kinn und tiefliegende Augen. Er stiehlt schamlos, aber es liegt eine solche Melancholie
in seinem Blick, dass ich mich immer zurückhalte, wenn ich ihn stellen könnte. Es ist auch nicht so, dass er nichts kauft. Für jedes Buch, das er kauft, klaut er ein anderes, und für jedes bezahlte Hardcover schiebt er sich ein Taschenbuch unter die Jacke. Seiner Kleidung nach zu urteilen, dürfte es ihm nicht um das Geld gehen. Und auch nicht um den Kitzel des Verbotenen. Ihn treibt wahrscheinlich nur das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Eine gewisse Neugierde motiviert mich nun aber doch, mit ihm zu reden. Ich werde ihm keine Moralpredigt halten und auch nicht einen auf arme Buchhändlerin machen. Ich möchte nur in seinen Kopf schauen und herausfinden, was ihn treibt. Was seine Eltern ihm angetan haben. Was er klaut, weiß ich (nur männliche Autoren). Seine Taktik ist immer die Gleiche: Langsam und gelassen nähert er sich dem Buch seiner Wahl. Die Geste ist verstohlen, schnell. Mit einer Hand hält er den Band, mit der anderen durchblättert er die Seiten wie einen Stapel Spielkarten. Er überfliegt den Klappentext, und während er liest, geht er mit der Nase immer näher an die Seiten heran, riecht genüsslich daran. Er ist ein Schnüffler, ein Kleptomane von Düften. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen __ dass er klaut. Dass er eine Straftat begeht.
Ich stelle mich neben ihn und versuche, einen resoluten Blick aufzusetzen. »Mein Herr, ich bitte Sie«, möchte ich flüstern, um ihn nicht dem Urteil der Kunden auszuliefern. Oder Alices strengem Moralismus. Aber die Worte bleiben mir im Halse stecken. Er merkt es und verzieht den Mund. Schlechte Zähne werden sichtbar. Auch sein Atem ist nicht angenehm. Seine Hände dagegen schon: sie sind schmal, mit langen Pianistenfingern.
In diesem Moment erscheint Camillo an der Tür, und ich habe die perfekte Entschuldigung, mich davonzumachen. Strahlend eile ich ihm entgegen. Soll Alberto sich darum kümmern, für mich ist es eine zu große Belastung, mit Dieben zu sprechen.
»Komm, wir gehen essen. Ich muss mit dir reden. Alice, ich befreie dich für ein paar Stunden von der faulen Chefin«, sagt er lächelnd.
»Bitte, Herr Doktor, sie steht ganz zu Ihrer Verfügung.«
Der aufdringliche Kinderarzt ahnt nicht, dass er mich gerade vor dem Scheitern des Tauglichkeitstests bewahrt.
In der Via San Maurilio gibt es eine Familientrattoria. Camillo bestellt Pasta mit Kichererbsen und bringt mich auf den neuesten Stand. Es gehe ihm besser, 50 mg Antidepressiva täglich täten ihre Wirkung, zweimal die Woche gehe er zu seiner Psychoanalytikerin.
»Bei uns geht es wie in den besseren Tarantino-Filmen zu, nur weniger blutig«, berichtet er. »Laura ist Gott sei Dank nicht mehr so aggressiv. Die erste Runde habe ich gewonnen: Wir leben jetzt ›in häuslicher Eintracht‹ getrennt. Das ist weniger schmerzhaft als ›außerhäuslich‹ getrennt zu sein.«
»Und was ist, technisch gesehen, der Unterschied?«
»Sie schläft im Atelier. Das ist diese Einzimmerwohnung, in der sie immer gemalt hat. Morgens kommt sie nach Hause, um mit den Kindern zu frühstücken, bevor sie zur Schule gehen. Das ist besser als nichts. Ich kann die Vorstellung nicht ertragen, sie ganz aus meinem Leben verschwinden zu sehen. Und für mich ist es ein Alptraum, keinen Sex mehr zu haben. Stell dir vor, seit sechs Monaten habe ich schon nicht mehr gevögelt. Nicht einmal ein Achtzigjähriger würde das aushalten. Meine Selbstachtung geht gegen null.«
»Ihr Männer messt alles in Zentimetern und sexuellen Begegnungen. Hast du das Buch gelesen, das ich dir empfohlen habe?«
»Emma, Sex ist eine Notwendigkeit. In meinem Alter ist Masturbation von beschämender Tristesse. Ich werde wie der Typ
da enden, schau nur. Er isst alleine und liest dabei Zeitung. Die Márai-Kur ist etwas für Masochisten. Wandlungen einer Ehe ist niederschmetternd, aber ich gebe gern zu, dass dieser Mann fantastisch schreibt. Er muss ein Scheißleben
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