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Und in mir der unbesiegbare Sommer (German Edition)

Und in mir der unbesiegbare Sommer (German Edition)

Titel: Und in mir der unbesiegbare Sommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruta Sepetys
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Russisch und zog mich hinter Ona.
    Onas Gesäß und die Innenseiten ihrer Oberschenkel waren mit Blut verkrustet. Die Wache brüllte Mutter an. Sie zog sich ganz aus und legte einen Arm um mich. Dann führte man uns in das Badehaus.

27
    Etwas abseits stand ein Wachmann. Er tat einen Schwamm in einen Eimer und bestäubte uns mit weißem Puder. Dann gingen die Duschen an. Das Wasser war eiskalt.
    »Beeilung«, sagte Mutter. »Wir wissen nicht, wie viel Zeit wir haben.« Sie griff nach einem Stück Seife und schrubbte meine Kopfhaut und mein Gesicht, ohne an sich selbst zu denken. Ich sah zu, wie brauner Dreck über meine Beine und Knöchel in den Abfluss strömte. Ich wäre am liebsten mit ihm verschwunden, um den Wachen und der Demütigung zu entkommen.
    »Weiterschrubben, Lina, mach schon«, sagte Mutter und begann, Ona zu waschen.
    Ich stand zitternd unter dem Wasserstrahl, wusch mich, so gut es ging, und hoffte, dass die Wachmänner nicht draußen auf uns warteten.
    Ich schrubbte Mutters Rücken und versuchte, ihre Haare zu waschen. Frau Arvydas stand mit graziös über den Kopf gereckten Händen unter der Dusche, als wäre sie zu Hause in ihrem Badezimmer. Dann wurden die Duschen abgestellt.
    Sobald wir den Duschraum verlassen hatten, griffen wir nach unseren Kleidern. Als ich mir das Kleid hastig über den Kopf zog, spürte ich etwas an der Hüfte. Andrius’ Stein. Ich schob eine Hand in die Tasche und tastete nach dem glatten Rand.
    Mutter kämmte mein Haar mit den Fingern. Ich betrachtete ihr nasses Gesicht. Aus ihren blonden, gewellten Haaren tropfte Wasser auf ihre Schultern.
    »Ich will nach Hause«, flüsterte ich zitternd. »Bitte.«
    Sie ließ ihre Kleider fallen und drückte mich lange und fest an sich. »Wir kehren wieder heim. Denk immer an deinen Vater und unser Haus. Wir müssen dafür sorgen, dass es in unserem Herzen lebendig bleibt.« Sie ließ mich los und sah mich an. »Wenn wir das tun, werden wir heimkehren.«
    Die Männer saßen schon auf einem der Lastwagen. Als wir ins Freie traten, stand eine weitere Gruppe von Frauen und Kindern nackt auf der Veranda.
    »Fühlst du dich besser, mein Schatz?«, fragte Mutter und lächelte Jonas an, als sie auf den Lastwagen kletterte. Sie schaute im Koffer nach ihrem Mantel. Jonas wirkte sauberer und fröhlicher. Andrius auch. Seine nassen Haare glänzten. Sie hatten die Farbe von dunklem Zimt.
    »Jetzt sind wir saubere Tote. Na und?«, sagte der Glatzkopf.
    »Wenn wir so gut wie tot wären, hätten sie uns keine Dusche gegönnt«, erwiderte der Grauhaarige und sah auf seine Uhr.
    »Heh, du warst ja blond unter all dem Dreck«, sagte Andrius und griff nach meinen Haaren. Ich zuckte zurück und wandte den Blick ab. Mutter legte einen Arm um mich.
    »Was hast du, Lina?«, fragte Jonas.
    Ich beachtete ihn nicht. Ich dachte an den Wachmann, der mich angefasst hatte, und ich dachte an das, was ich eigentlich hätte tun müssen – ihn schlagen, treten, anbrüllen. Ich schob eine Hand in die Tasche und drückte Andrius’ Stein so fest, als wollte ich ihn zerbrechen.
    »Glaubt ihr, dass sie uns nach der Sauna zu einem Vier-Gänge-Menü einladen?«, scherzte Frau Rimas.
    »Oh, ja. Und zu Schwarzwälder Kirschtorte und ein oder zwei Cognac«, erwiderte Frau Arvydas lachend.
    »Ich hätte gern einen heißen Kaffee«, sagte Mutter.
    »Einen starken Kaffee«, ergänzte der Glatzkopf.
    »Ich hätte nie geglaubt, dass es sich so gut anfühlt, sauber zu sein!«, rief Jonas, der seine Hände betrachtete.
    Alle waren besserer Laune, nur Ona nicht. Sie sang weiter vor sich hin. Frau Rimas versuchte, sie zu beruhigen, doch ihre Bemühungen waren umsonst. Als die letzte Gruppe von Frauen und Kindern auf den Lastwagen stieg, sah der Kommandant, wie Ona aufstand und an ihren Haaren riss. Er brüllte sie an. Der junge blonde Wachann stieg hinten auf den Lastwagen.
    »Tun Sie ihr nichts«, sagte Frau Rimas. »Das arme Ding trauert.«
    Mutter übersetzte. Ona stand da und stampfte mit dem rechten Fuß auf. Der Kommandant ging auf Ona zu und riss sie vom Lastwagen. Sie geriet außer sich, schrie und kratzte, aber er war zu groß und zu stark und warf sie zu Boden. Seine Augen verengten sich, seine Kiefermuskeln spannten sich an. Mutter wollte nach vorn krabbeln, um Ona zu helfen, aber sie kam zu spät. Der Kommandant zog seine Pistole und schoss Ona in den Kopf.
    Allen stockte der Atem, auch mir. Andrius packte Jonas und hielt ihm die Augen zu. Unter Onas Kopf quoll Blut

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