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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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glaube, er hält sich mittlerweile total aus dem Geschäft heraus.“
    „Das heißt, Alfons Lüdersen ist für die Belange der Firma allein verantwortlich.“
    „Könnte man so sagen.“
    Sie hatten einige Geschichten gehört. Geschichten, die vor allem von Udo Lanz’ Eifer zeugten, sich reinzuwaschen. Anna nahm sich daraufhin vor, noch einmal zu Ulrike Homberg zu fahren. Sie war der einzige Mensch, der über Lüdersens Aktivitäten in der Mordnacht Auskunft geben konnte. Anna würde versuchen, ihr klarzumachen, dass es von heute an nicht mehr ausreichte, wenn sie weiter schwieg.
    Oft waren die Dinge, die man sich am meisten wünschte, unerreichbar. Und wenn man zu den Glücklichen gehörte, für die ein Traum wirklich geworden war, konnte es geschehen, dass er seinen ursprünglichen Reiz verloren hatte. Es war eine menschliche Eigenschaft, selten mit dem zufrieden zu sein, was man besaß, und glückliche Lebensphasen nicht genießen zu können, weil man sie für selbstverständlich hielt. Die eigene Befindlichkeit wurde den meisten Menschen immer erst dann bewusst, wenn nicht alles zum Besten stand. Erst wenn das Leben aus dem gewohnten Rhythmus kam, begannen sie auf einmal auf ihre Gefühle zu achten. In solchen Situationen wurden negative Empfindungen für gewöhnlich ernster genommen und die Zeit verging dann langsam, wie in Zeitlupe. Aber sobald man aus der Talsohle heraus war, und der rettende Horizont sich näherte, nahm das Leben wieder die altgewohnte Geschwindigkeit auf. Nur am Aufwachsen seiner Kinder sah man, wie schnell die Jahre verstrichen – bis zur nächsten Krise. Hätte Anna Greve nicht ihre Arbeit gehabt, die sie nicht zum Nachdenken kommen ließ, wäre sie sicher in eine Sinnkrise verfallen. Doch so ging sie abends nur todmüde und in der Gewissheit auf einen tiefen, zumeist traumlosen Schlaf in ihr Bett. Ihre ganze Existenz war zurzeit auf den Job ausgerichtet, sie erhoffte sich eine baldige Lösung der Mordfälle. Instinktiv spürte Anna, dass ein tiefes Loch auf sie wartete, wenn die Verbrechen, mit denen sie sich zurzeit beschäftigte, erst aufgeklärt sein würden. Und obwohl sie Sex für eins der am meisten überschätzten Dinge des Lebens hielt, spukten ihr ständig die Bilder von jenem Abend mit Jan im Kopf herum. Er hatte ihr zu der Erkenntnis verholfen, dass sie alles andere als ein asexuelles Wesen war, auch wenn sie Tom nicht mehr begehrte. Auf ihrem Weg zu Ulrike Homberg dachte Anna darüber nach, wie viele Möglichkeiten sich Tom und ihr noch bieten würden, wenn sie denn bereit waren, etwas in ihre Beziehung zu investieren. Sie könnten sich professionelle Hilfe holen, in ihrem Bekanntenkreis gab es hierfür sogar einige erfolgreiche Beispiele. Nicht immer hatten die Gespräche zum vorher angestrebten Erfolg geführt, doch auch eine vernünftige Trennung wollte gelernt sein. Anna freute sich schon jetzt auf die bevorstehenden vierzehn Tage, in denen sie allein sein würde — eine lange Zeit, in der sie sich nicht verstellen müsste. Vielleicht könnte sie dann auch endlich ein paar klare Gedanken fassen und eine Entscheidung treffen.
    Ulrike Homberg trug ein schulterfreies, schwarzes Leinenkleid mit einem Schlitz bis über das Knie.
    „Ich wollte mir gerade ein Taxi rufen, Frau Greve.“
    „Kein Problem, ich bringe Sie zu Ihrer Verabredung, dann können wir uns während der Fahrt unterhalten.“
    Der jungen Frau schien diese Idee nicht sonderlich zu gefallen, aber sie sagte nichts und stieg zu Anna in den Wagen ein. Sie fuhren durch die Stadt in Richtung Binnenalster. Ulrike Homberg war im noblen Hotel „Atlantik“ verabredet, wahrscheinlich hatte sie sich einen anderen Mann ausgeguckt. Jemanden, der sich ihre Ansprüche leisten konnte.
    Anna musterte Ulrike Homberg, die diese Blicke nervös registrierte.
    „Alfons und ich sind nicht verheiratet, ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig.“
    Die Kommissarin beneidete sie ein bisschen. Nicht um das Date, ihre Schönheit oder ihr Outfit, sondern um die Tatsache, dass es in ihrem Leben niemanden gab, dem sie sich erklären musste.
    „Wenn das so ist, sollten Sie endlich handeln. Ihr Schweigen ist alles andere als hilfreich.“
    „Ich habe kein Problem damit.“
    „Aber Sie schützen nach wie vor einen potenziellen Mörder.“
    „Es ist Ihre Aufgabe, Alfons etwas nachzuweisen, wenn er schuldig ist, Frau Greve, nicht meine.“
    „Haben Sie Esther Lüdersen eigentlich einmal kennengelernt?“
    Ulrike Homberg

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