Und jeder tötet, was er liebt
Bewegung setzte. Und auch Alfons Lüdersen schien seinen Schwiegervater nicht zu vermissen. Gerade gingen sie aneinander vorbei, und da war nichts zwischen ihnen, nicht ein Zeichen des Trostes für den anderen. Anna ließ den Blick schweifen, weit und breit keine Spur von Olaf Maas. Er schien es vorgezogen zu haben, dem Begräbnis fernzubleiben. Fragte sich nur, warum.
„Olaf, vergiss es, da kommen wir nicht rein.“
Fred Brohne untersuchte die Außensicherungen des Lüdersen’schen Anwesens. Olaf Maas sah auf die Uhr. Noch war Zeit genug, denn die Trauerfeier hatte in diesem Moment eben erst begonnen.
„Dieser Kasten ist eine Festung, wir müssten einen Spezialisten haben, um sie zu knacken. Zum Glück haben die keinen Hund. Los, verschwinden wir.“
Olaf Maas war enttäuscht. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es Fred unmöglich sein würde, ihm Zutritt zum Haus der Lüdersens zu verschaffen. Esthers Wohnung hatte Olaf bis auf den letzten Winkel erfolglos nach Hinweisen durchkämmt. Die Polizei hatte sich zwar auch dort umgesehen, aber die wussten nicht, wonach sie suchen sollten.
„Vielleicht sollten wir es in seinem Büro probieren.“
„Und wie kommen wir am Pförtner vorbei?“
„Ich lass mir etwas einfallen und melde mich. Kann ich auf dich zählen?“
„Ich bin dabei.“ Fred grinste ihn breit an.
„Mussten Sie gestern noch sehr leiden, weil ich so ganz ohne Anmeldung bei Ihnen aufgetaucht bin?“
Weber stopfte sich gerade ein großes Stück von seiner Kohlroulade in den Mund. Nach dem Friedhofsbesuch brauchte er unbedingt eine gute Grundlage für den weiteren Tag.
„Halb so wild.“
„Wollen wir gleich auf einen Sprung beim armen Lüdersen vorbeigehen?“
„Versuchen können wir es, der Mann kann einem doch leidtun. Ich weiß wirklich nicht, was Sie gegen ihn haben, Frau Greve.“
Der dunkelgraue Mercedes von Alfons Lüdersen parkte vor dem Geschäftsgebäude der LÜBAU.
„Er hat sich nicht viel Zeit für die Trauerfeier genommen“, bemerkte Anna schnippisch.
„Manchen hilft die Arbeit. Ich würde es gut finden, wenn Sie ausnahmsweise einmal Ihr Temperament zügeln würden. Vielleicht ist es sogar besser, wenn ich heute das Reden übernehme.“
Anna hielt sich hinter Weber, als sie das Büro betraten. Sie setzte sich auf einen Stuhl in der Ecke und beobachtete Alfons Lüdersen. Er schien sich wieder gefangen zu haben, falls ihn die Beerdigung seiner Frau überhaupt aus der Ruhe gebracht hatte.
„Eine beachtliche Trauergemeinde war das vorhin auf dem Nienstedtener Friedhof. Ich könnte mir denken, dass die große Anteilnahme ein Trost für Sie gewesen ist.“
„Nett, dass Sie das sagen, Herr Weber.“
„Heute ist eigentlich der falsche Zeitpunkt, doch ...“
„Fragen Sie nur, Herr Kommissar.“
„Sind Sie inzwischen dazu gekommen, die persönlichen Sachen Ihrer Frau durchzusehen? Sie müsste doch eigentlich so etwas wie ein Adressbuch gehabt haben.“
„Halten Sie das wirklich für so wichtig?“
„Auf jeden Fall.“ Weber blickte sich zu Anna um. „Es ist doch ungewöhnlich, dass Esther keine Freunde gehabt haben soll, niemanden, dem sie sich anvertraute. Ihr Adressbuch könnte uns eine Hilfe sein.“
„Ich werde mich darum kümmern.“
Er stand auf, notierte etwas in seinen Kalender und setzte sich dann an seinen Schreibtisch.
„Wir haben gehört, Sie sind als Generalunternehmer mit dem Neubau des Volksparkstadions betraut?“
Alfons Lüdersen schaute auf seine Armbanduhr.
„Wir sind seit eineinhalb Jahren damit beschäftigt.
Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, haben wir das schönste Schmuckkästchen von ganz Deutschland.“
Stolz wies er auf das Ölbild hinter seinem Schreibtisch, das Anna schon bei ihrem ersten Besuch aufgefallen war.
„Sehen Sie sich die Dachkonstruktion an. Die ist einmalig, geradezu ein Kunstwerk!“
„Wer ist eigentlich für die Finanzierung verantwortlich?“, meldete sich Anna aus dem Hintergrund.
„Der Hamburger Senat hat das alte Stadion inklusive Grundstück für den symbolischen Preis von einem Euro an den HFC verkauft. Das gesamte Bauvorhaben wird durch den Verein und seine Sponsoren finanziert.“
„Ich las neulich etwas von 80 Millionen Euro“, setzte sie nach.
Lüdersen zögerte. „Wir haben die Vorgabe bereits überschritten. Alles in allem werden sich die Kosten voraussichtlich auf 100 Millionen belaufen. Es musste nachgebessert werden.“
„Zwanzig Millionen sind kein Pappenstiel. Wer kommt für
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