Und jeder tötet, was er liebt
erwiderte Ben flapsig.
„Was nicht ist, kann ja noch werden.“
Anna fing einen kurzen Blick von Alfons Lüdersen auf. Für ihn schien dieses private Zusammentreffen mindestens ebenso unangenehm zu sein wie für sie selbst.
„Ich sagte gerade zu Herrn Lüdersen, dass der Fall bald abgeschlossen sein wird. Dieser Obdachlose hält nicht mehr lange durch.“
„Da bin ich mir nicht sicher.“
Anna blieb auf der Hut. Sie glaubte nicht, dass es mittlerweile erlaubt war, private Unterhaltungen über den Stand der Ermittlungen zu führen.
„Sie werden sehen, Frau Greve, Weber macht einen hervorragenden Job. Der Mann wird gestehen, vielleicht schon morgen.“
Zum Glück war die Pause zu Ende. Die Mannschaften liefen wieder auf das Spielfeld, doch leider brachte auch die zweite Halbzeit nicht die erhoffte Wende. Jan war kurz vor Schluss im Strafraum des Gegners gefoult worden, und es gab einen Elfmeter. Der Torwart des HFC verwandelte den Strafstoß souverän. Der Schlussmann aus dem Süden, dem man, weil er in der letzten Zeit des Öfteren einen Fehler gemacht hatte, scherzhaft nachsagte, er könne sich in Asien die Vogelgrippe geholt haben, hatte nicht den Hauch einer Chance. Immerhin ein kleiner Sieg, aber am Ende stand es trotzdem 1:3 gegen den HFC. Die Kinder nörgelten, wollten nach Hause, aber Anna hatte Jan versprochen, dass sie auf ihn warten würden.
„Wollt ihr noch ein paar Pommes oder eine Limo?“
„Anna!“
Strahlend kam Jan auf sie zugelaufen. Sein Haar war noch feucht von der Dusche, das Gesicht gerötet, sonst sah man ihm die Anstrengungen der vergangenen zwei Stunden nicht an. Bei seinem Anblick spürte Anna ihren Atem schneller gehen. Sie musste etwas tun.
„Ich möchte dir meinen Chef vorstellen.“
Jan Greve schüttelte Kuhn die Hand.
„Ich glaube, wir kennen uns vom Sehen. Sind Sie nicht im Vereinsvorstand?“
„Ganz richtig“, erwiderte Martin Kuhn. „Leider kommt man vor lauter Politik kaum mehr dazu, die Spieler kennenzulernen. Um so mehr freue ich mich, dass Ihre Schwägerin mir das heute ermöglicht.“
Bevor Kuhn ihn ganz in Beschlag nehmen konnte, holte Jan Anna Greve für einen Augenblick zur Seite.
„Der Mann dort neben deinem Chef ist der Generalunternehmer für den Stadionbau.“
Ihr Blick traf sich wieder mit dem von Alfons Lüdersen.
„Wirklich ein seltsamer Zufall.“
Jan Greve gab sich alle Mühe. Er versuchte, Martin Kuhn zuzuhören, dabei konnte er den Blick nicht von Anna lassen. Eben noch hatte er ihre Hand gehalten, sich vorgestellt, wie sie ihn überall berührte. Stets schweiften seine Gedanken ab, wenn er an Anna dachte. Er musste sie haben, unbedingt. Auch wenn er Tom damit verraten würde. Sein älterer Bruder war von jeher in allem der Bessere gewesen, und Jan hatte ihn immer ein bisschen deswegen beneidet. Vielleicht hatte er sich deshalb so auf den Sport konzentriert. Was Tom auch immer anpackte, gelang, das war schon in der Schule so gewesen. Jan hatte versucht, seinem großen Bruder nachzueifern, immer waren sie beste Freunde gewesen. Aber gewonnen hatte er nie gegen Tom. Außerdem brauchte er es ja nicht zu erfahren. Es gab viele Frauen, die Jan wollten, und viele, mit denen er auslebte, was er in seinen Träumen Anna vorbehielt. Anna hatte ihn dazu gebracht, phantasievoll zu sein. Sie brachte ihn dazu, an einem Hotdog-Stand einen sinnlichen Moment zu zaubern. In ihrer Nähe fühlte Jan sich lebendig.
„Tschuldigung.“ Ein Schrank von einem Mann stieß Anna Greve unsanft zur Seite.
„Bitte machen Sie Platz für die Leute hier.“
Der Mann hatte langes, dunkles, zu einem Zopf gebundenes Haar, gebräunte Haut und eine athletische Figur, die in einem Armani-Anzug steckte. Anna starrte ihm noch hinterher, als er sich plötzlich umdrehte und ihr einen finsteren Blick zuwarf.
„Wer ist denn das gewesen?“
„Holger Maiwald, ein Typ aus der Security-Firma, die unseren Verein betreut. Er ist, glaube ich, deren Chef-Bodyguard, den möchte ich nicht zum Feind haben. Habe ihn einmal in Aktion gesehen, als er direkt neben mir einen ausgeflippten Fan zur Räson gebracht hat, ein merkwürdiger Bursche.“
Anna kannte einige Bodyguards, ehemalige Polizisten, alle seriöse Leute. Holger Maiwald schien ein anderes Kaliber zu sein. In seinem Blick war etwas, das sie verunsicherte. Wahrscheinlich gab es nicht wenige Frauen, die er mit seinen Augen in den Bann zog, Frauen, die vieles auf sich nahmen, um mit ihm zusammen zu sein. Anna jedenfalls kam er
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