Und jeder tötet, was er liebt
vor wie ein Mann, der durchaus viele Grenzen überschreiten könnte.
Aufmerksam betrachtete sie die Herren in ihren feinen Anzügen, die um sie herum die VIP-Lounge bevölkerten. Was waren das eigentlich für Leute? Politiker? Sponsoren des HFC aus der Wirtschaft? Waren sie nur zu ihrem Vergnügen hier, oder ging es ihnen möglicherweise auch um Geschäftliches? Auf jeden Fall war dieser Stadionneubau ein gigantischer Auftrag, bei dem es um sehr viel Geld ging. Und Alfons Lüdersen war der Generalunternehmer für dieses Bauvorhaben. Gab es hier vielleicht einen Zusammenhang zum Mordfall Esther Lüdersen?
„Ich muss auf einen Sprung zu Weber, fahrt ihr ruhig schon nach Hause. Ich nehme mir nachher ein Taxi.“
Tom nahm seinen Sohn Paul an die Hand und rief Ben zu sich, der noch immer vor einem Stand mit Fanartikeln herumlungerte.
„Ich mach mich jetzt auf den Weg, für Paul wird es Zeit. Bis bald“, sagte er zu seinem Bruder Jan.
„Halt die Ohren steif.“ Jan klopfte seinem Bruder aufmunternd auf die Schulter. „Immerhin scheint das Leben mit Anna ja nie langweilig zu werden.“
Der hat gut reden, dachte Tom ärgerlich, als er mit seinem Auto im Stau vor der Autobahnauffahrt stand. Wenn sie endlich zu Hause sein würden, dürfte er sich wieder einmal darum kümmern, dass sich die Jungen ihre Zähne putzten. Anschließend würde dann ein einsamer Abend vor dem Fernseher auf ihn warten. Und das an einem Samstag, dem einzigen Tag in der Woche, an dem er mit Anna gemeinsam etwas unternehmen konnte. Tom fühlte sich viel zu jung für ein solches Leben. Es war schon lange her, dass er richtigen Spaß gehabt hatte. Und Anna verließ sich wie selbstverständlich darauf, dass er die Kinder schon versorgen würde. Nie fragte sie nach, ob er nicht vielleicht gerade andere Pläne hatte.
Lukas Weber wohnte nicht weit entfernt vom Fußballstadion, schon ein paar Minuten später stand die Kommissarin vor der Tür seines Reihenhauses. Früher einmal war hier ein Dorf gewesen. Bäuerliche Großfamilien hatten diesen fruchtbaren Landstrich mit seinen fetten Wiesen und ausgedehnten Wäldern bewirtschaftet, doch nach dem Krieg war nichts mehr wie zuvor gewesen. Die Höfe und Äcker hatten der sich ausdehnenden Stadt weichen müssen, und in den letzten Jahrzehnten war aus der früheren Idylle Osdorf sogar ein sozialer Brennpunkt geworden.
Anna sah Weber durch das Wohnzimmerfenster vor dem laufenden Fernseher sitzen, bestimmt schaute er sich die Sportschau oder irgendeine andere Sportsendung an. Sie klingelte.
„Guten Abend.“ Sie streckte der blonden Frau, die nun öffnete, ihre Hand entgegen. „Ich bin Anna Greve, eine Kollegin ihres Mannes. Kann ich ihn kurz sprechen?“
Rita Weber stand in der nur einen Spalt breit geöffneten Tür.
„Hat das nicht Zeit bis Montag? Wenigstens am Wochenende möchten wir leben wie andere Familien auch.“
„Tut mir leid, es ist wichtig.“
Auf dem Flur näherten sich Schritte, und Weber tauchte auf.
„Nanu, ich dachte, Sie wären beim Fußball.“
Rita Weber wusste, wann sie verloren hatte. Sie verschwand in einem der Zimmer, krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Anna ließ sich ihre Irritation nicht anmerken.
„War ich auch, aber mir spukt da etwas im Kopf herum. Ich hoffe, ich störe nicht allzu sehr.“
Würde Webers Frau zetern, wenn Anna erst fort war? Oder ihn vielleicht ignorieren, so wie Tom es meistens tat, wenn ihm etwas nicht passte? Weber konnte einem fast leidtun.
„Was macht eigentlich die Vernehmung von Walter Reimers?“
Weber sah auf die Zimmertür, hinter der seine Frau eben verschwunden war, und seufzte.
„Der hält nicht mehr lange durch, der ist nervlich am Ende. Bald gesteht er alles, nur um seine Ruhe zu haben. Ich bin mir nicht mehr sicher, dass Walter Reimers wirklich der Täter ist.“
„Wie sollte er auch. Ein alter Stadtstreicher ohne Geld, Auto und Führerschein ist wohl kaum in der Lage, eine solche Tat umzusetzen. Jetzt etwas anderes. Ich bin heute jemandem über den Weg gelaufen, er ist Bodyguard beim HFC. Maiwald heißt er, ein ziemlich brutaler Typ, der mit Businessklamotten herumläuft. Mit dem stimmt etwas nicht, Weber.“
„Kann es sein, dass Sie Gespenster sehen?“
„Alfons Lüdersen baut mit seiner Firma das neue Fußballstadion. Haben Sie das gewusst?“
„Na und?“
„Wäre es nicht auch möglich, dass der Mord an seiner Frau irgendwie damit zusammenhängt? Immerhin geht es bei diesem Bauvorhaben um eine Menge
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