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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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Weber. Die beiden waren so gut miteinander befreundet, da ist es absurd, diesen Zusammenhang auszublenden und stattdessen Zufälle konstruieren zu wollen.“
    „Anna, was haben Sie nur gegen Alfons Lüdersen, dass Sie ihm beide Taten mit aller Macht in die Schuhe schieben wollen?“
    Günther Sibelius beobachtete seine beiden Kollegen amüsiert.
    „Wie ist es, nehmen Sie noch einen?“ Er zeigte auf Annas leeres Weinglas.
    „Für mich nichts mehr, ich bin sowieso schon zu spät dran.“
    „Aber Sie bleiben doch noch, oder?“
    Lukas Weber nickte, und Anna bedauerte, dass sie nicht einfach weiter mit ihnen zusammensitzen und reden konnte. Zu gern hätte sie ihnen noch etwas mehr von sich erzählt, doch die Kommissarin wusste, dass das unmöglich war.
    Als du fort warst, ist mir die Art, wie mich das Kind mit seinen kleinen, verschmierten Händen umklammerte, unerträglich gewesen. Manchmal erlaubte ich widerwillig, dass es sich auf meinen Schoß setzte, um es nach einem kurzen Augenblick wieder herunterzuheben. Nicht, dass ich nicht gewollt hätte, aber es lag eben nicht in meiner Natur. Nach einer Weile der vergeblichen Mühe hat es sich in seine eigene Welt zurückgezogen. Es war nun ganz allein. Wenn ich es ansah, sah ich dich: deine Augen, dein Lächeln. Dann fing ich an, dahinterzugucken, zu begreifen, worum es wirklich ging. Was hat es dafür gekonnt, dass du kein Stern gewesen bist? Ich habe seitdem alles versucht, es zum Leuchten zu bringen. Bestimmt bin ich ein miserabler Lehrmeister gewesen. Wie soll man geben, was einem selber fehlt? Aber ich habe es immer geliebt, es wurde zu meinem zweiten Leben.
    Vor ihrem Haus stand der Volvo von Jan, die Räume im unteren Stockwerk waren hell erleuchtet. Anna atmete tief durch, bevor sie die Haustür aufschloss. Aus dem Wohnzimmer klang ihr Musik entgegen, unterbrochen vom fröhlichen Gelächter der beiden Männer. Tom und Jan saßen, ein Backgammonspiel zwischen sich, am Couchtisch. Als Anna den Raum betrat, verwandelte sich die ausgelassene Stimmung in betretenes Schweigen.
    „Hallo, Jungs“, versuchte sie eine lockere Eröffnung.
    Doch keiner schien gewillt, den Ball aufzunehmen, den sie ihnen zugespielt hatte. Endlich sagte Tom: „Hi, Anna.“
    „Störe ich?“
    „Komm, setz dich hierher.“
    Jan klopfte mit der Hand neben sich auf den freien Teil des Sofas. Zögernd nahm sie Platz. Er umarmte sie nicht wie sonst, sondern gab ihr nur die Hand. Wenn Tom nicht gänzlich auf den Kopf gefallen war, musste ihm diese Veränderung in Jans Verhalten auffallen. Aber er ließ sich nichts anmerken, sondern stand auf, um ein Glas Wein für Anna zu holen.
    „Wie war der Job?“
    „Im Moment geht es drunter und drüber. Wir haben einen neuen Verdächtigen, der meine Theorie komplett durcheinanderbringt.“
    „Du bist doch eine flexible Frau. Sicher wird es dir gelingen, die neuen Entwicklungen so zu betrachten, dass alles zusammenpasst.“
    Der ironische Unterton in Toms Stimme verunsicherte sie. Hatte Jan etwa mit ihm gesprochen?
    „Ich habe das dumpfe Gefühl, etwas verpasst zu haben.“
    „Man kann eben nicht überall gleichzeitig sein.“
    „Okay, ich bin zu spät, aber vielleicht helft ihr mir auf die Sprünge.“
    Die Brüder sahen einander an, und Anna spürte die tiefe Verbundenheit zwischen ihnen. Auf keinen Fall wollte sie diejenige sein, die diese Liebe zerstörte.
    „Jan hat erzählt, was in den letzten Tagen und Wochen passiert ist“, unterbrach Tom ihre Gedanken. „Ich muss sagen, dass ich seine Gründe, nach London zu gehen, wirklich verstehen kann. Mit uns hat das Ganze jedenfalls nichts zu tun.“
    Tom stand auf, beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen zärtlichen Kuss.
    „Wir haben uns umsonst Sorgen gemacht, meine Kleine.“
    Die Kommissarin bemühte sich redlich, mit diesem Wechselbad der Gefühle fertig zu werden, aber ihr Kopf versagte seinen Dienst. Er fühlte sich an wie in Watte eingepackt, und so brachte sie außer einem matten „gut“ nichts zustande.
    „Tut mir leid, ich muss mich gleich auf den Weg machen. Hab morgen Mittag einen Termin in London, ihr könnt mir die Daumen drücken. Wenn alles glatt geht, dürft ihr mich bald in einem dieser tollen Appartements in den Docklands mit Blick auf die Themse besuchen.“
    Jetzt nahm Jan Anna in den Arm. Sie fühlte die Wärme seiner Hände auf ihrem Rücken, als er sagte: „Nicht traurig sein, Tom wird dir alles erzählen.“
    Jan umarmte sie lange, Anna spürte seine Nähe,

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