Und jeder tötet, was er liebt
auf. Er räusperte sich und nahm den Hörer ab.
„Endlich, Herr Lüdersen.“ In der Stimme seiner Sekretärin schwang ein hysterischer Unterton mit.
„Wir haben Besuch im Geschäft, ein Wirtschaftsprüfer ist da und einige Polizeibeamte. Sie hatten eine amtliche Verfügung dabei, die ich in Vertretung von Ihnen unterschreiben musste. Sie wollen die Bilanzen der letzten fünf Jahre einsehen.“
„Was?“, schrie er in den Hörer. „Und warum sagen Sie mir das erst jetzt?“
„Ich versuche doch schon seit Stunden, Sie zu erreichen, habe Sie aber nirgendwo angetroffen.“
„Weiß Dr. Baumhöfner Bescheid?“
Die Sekretärin war den Tränen nahe. „Ich habe leider vergessen, ihn zu informieren. Sie können sich ja nicht vorstellen, was hier seit heute Morgen los ist. Was wollen die eigentlich von Ihnen?“
„Beruhigen Sie sich, Frau Allert, ist alles nicht so schlimm, wie es aussieht. Ich verständige jetzt Dr. Baumhöfner, und Sie halten die Stellung im Büro. Geben Sie bitte so lange keine Unterlagen heraus, bis er sich bei Ihnen gemeldet hat.“
„Ist leider schon geschehen, Chef.“
Lukas Weber saß an seinem Schreibtisch und las den Bericht des Betrugsdezernats durch. Es gab keinen Zweifel mehr, Alfons Lüdersen hatte die Betrügereien beim Bau des Fußballstadions zu verantworten. Auch Udo Lanz traf eine Mitschuld, wahrscheinlich würde er sich einen neuen Arbeitgeber suchen müssen, doch die Beamten hatten Alfons Lüdersen eindeutig als den Drahtzieher entlarvt. Das Schwarzgeld war über seine Konten geflossen, bevor er es zwischen Lanz und sich selbst aufgeteilt hatte. Lüdersens Anteil an der Beute war jedes Mal erheblich höher als der seines Komplizen ausgefallen. Weber schüttelte den Kopf, ihm waren die Beweggründe des Bauunternehmers unverständlich. Hatte er ihnen schließlich nicht selbst das schlüssigste Argument gegen diesen Betrug genannt? Er hätte so etwas nicht nötig, klangen Lüdersens Worte noch immer in Webers Ohr. Natürlich, gegen ein paar Prozente hier und da sei nichts einzuwenden, aber man wäre in seiner Branche erledigt, wenn herauskäme, dass man im großen Stil betrog. Lüdersen musste einen guten Grund dafür gehabt haben, es trotzdem zu versuchen. War er finanziell so in der Bredouille gewesen? Hatte er sich nicht mehr anders zu helfen gewusst? In jedem Fall war er ein hohes Risiko eingegangen und hatte verloren.
„Wir werden Hilfe brauchen“, sagte Weber zu seinen Kollegen. „Hier ist der Bericht über Lüdersens Aktivitäten bezüglich des HFC-Stadions. Wie ich hörte, findet seit heute eine Revision in seinen Geschäftsräumen statt.“
„Das habe ich veranlasst“, entgegnete Günther Sibelius. „Der Staatsanwalt hat sehr schnell reagiert.“
„Was sagt der Chef eigentlich zu dieser Entwicklung?“, schaltete sich nun Anna Greve ein.
„Gleich werden wir es wissen“, meinte Weber. „Er hat uns zu sich gebeten.“
Wenig später saßen die drei Kommissare im Büro von Martin Kuhn. Heute gab es keinen Butterkuchen. Weber hatte gerade die neuen Erkenntnisse in Bezug auf Alfons Lüdersen dargelegt, als Kuhn seinen Telefonhörer in die Hand nahm.
„Bitte jetzt keine Störungen, Frau Schenkenberg. Wir sind in einer wichtigen Besprechung.“
Martin Kuhn nahm seine Lesebrille ab und strich sich mit den Händen durch die Haare.
„Und an diesen Ergebnissen gibt es keine Zweifel mehr, Weber? Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Herr Lüdersen hat so eine miese Betrugsgeschichte doch überhaupt nicht nötig. Der Lanz dagegen schon eher.“
„Die Kollegen vom Betrugsdezernat haben eindeutige Aussagen dazu gemacht, Chef. Kann es sein, dass Sie sich, soweit es Lüdersen betrifft, getäuscht haben?“
„Vielleicht ist er erpresst worden.“
„Von Udo Lanz?“
„Wer weiß, ich glaube jedenfalls kaum, dass Herr Lüdersen bei dieser Sache freiwillig mitgemacht hat. Schließlich geht es hier um seinen guten Ruf. Auf jeden Fall will ich, dass Sie noch einmal genau recherchieren und die Hintergründe dieser geheimnisvollen Geschäftsbeziehung herausfinden. Vielleicht stoßen Sie dabei ja auch auf den Auftraggeber für den Mord an Esther Lüdersen. Ja, so könnte es Sinn machen.“
Anna verließ, gefolgt von Weber und Günther Sibelius, Kuhns Büro. Als sie gerade im Begriff war, die Tür zu schließen, rief ihnen Martin Kuhn hinterher: „Und halten Sie mich diesmal bitte stets auf dem neuesten Stand der Ermittlungen. Ich will über alles informiert
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