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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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Seitenfenster und starrte in den ersten Stock hinauf. Wenn sie schon einmal hier war, konnte sie sich auch einen Moment gönnen, um richtig Abschied zu nehmen. Jan war in London, damit bestand keine Gefahr ihm hier zu begegnen. Trotzdem fuhr sie zusammen, als hinter ihr ein Auto hupte. Als Anna sich umdrehte, erkannte sie Jan hinter dem Steuer seines Wagens. Nun stieg er aus und kam zur Fahrertür ihres Opels hinüber. Er sah sie mit einem Blick an, der brannte und ihr das Blut in die Wangen trieb.
    „Was treibt dich in diese unwirtliche Gegend?“
    „Habe mich wohl verfahren und bin irgendwie in deiner Straße gelandet.“
    „Das nenne ich einen Zufall. Ich komme gerade vom Flughafen. Willst du nicht auf einen Sprung mit hereinkommen?“
    „Eigentlich muss ich nach Hause.“
    „Komm schon, Anna, mein Kühlschrank ist zwar leer, aber ich habe noch eine gute Flasche Rotwein da.“
    Ihr klopfte das Herz bis zum Hals. „Also gut“, sagte sie in der Gewissheit, dass sie im Begriff war, eine große Dummheit zu begehen.
    Ein paar Stunden später, draußen war es seit Langem dunkel, kam Anna langsam wieder in die Welt zurück. In dem Moment, als sie die Türschwelle überschritten hatte, war Anna klar gewesen, dass sie mit Jan Sex haben würde. Doch die Intensität, mit der sie dann zur Sache gekommen waren, verschlug ihr noch im Nachhinein den Atem. Kaum waren sie in der Wohnung gewesen, flogen auch schon die Kleidungsstücke durch die Gegend, und sie hingen aneinander wie Verdurstende. Jan war ebenso zärtlich wie wild. Er wusste, was sie wollte, noch bevor sie selbst es wusste. Sie berührten einander, so als hätten sich ihre Körper schon lange gekannt, und trotzdem war alles neu und elektrisierend. Wie hatte Anna solche Berührungen vermisst. Hatte sie so etwas überhaupt schon einmal erlebt? Guter Sex war bestimmt nicht alles, aber in jedem Fall eine wundervolle Bereicherung ihres Lebens. Gerade blinzelte Jan sie schläfrig an, dann schmiegte er sich wieder an sie. Seine Beine berührten Annas Beine, sein Bauch umfing ihren Po, seine Arme schlängelten sich ihr entgegen. Einer bot sich als Ruhekissen für ihren Kopf an, der andere strebte nach oben, seine Hand hielt nun die ihre, weit von sich gestreckte, fest. Es gab keinen Zentimeter ihres Rückens, der nicht ausgefüllt war von der Wärme und dem Duft seines Körpers. Anna mochte kaum atmen, noch sich bewegen, so unsagbar schön war dieser Moment. Nichts geschah außer dieser allumfassenden Berührung, die in ihr ein tiefes Gefühl des Beschütztseins auslöste. Sie hob ihre Hand und sah auf seine. Zweifellos die Hand eines Mannes, denn sie war beinahe doppelt so groß wie die ihre. Anna war ausgehungert nach Zärtlichkeiten. Ja, genau so wünschte sie sich das Zusammensein mit Tom. Dabei hatte sie beinahe vergessen, wie wunderbar es war, einen Mann zu berühren. Selbst wenn ihre Beziehung zu Tom auf dieser Ebene nie so selbstverständlich gelaufen war wie die mit Jan, würden beide doch einen neuen Weg finden müssen, wenn sie zusammenbleiben wollten. Anna wollte sich nicht vorstellen, jemals wieder auf dieses Gefühl verzichten zu müssen.
    Sie lachte, seit Wochen hatte diese Spannung zwischen ihnen im Raum gestanden und sie wie magisch zueinander hingezogen. Nun hatten sie ihr endlich nachgegeben, und es hatte sich wahrhaftig gelohnt.
    „Was gibt es denn zu kichern?“, fragte Jan, während er zärtlich ihren Nacken streichelte.
    „Ich habe gerade gedacht, dass es mit uns so enden musste, im Bett, meine ich. Wie oft habe ich dir auf deinen knackigen Hintern geschaut und bedauert, ihm nie so nah sein zu können wie gerade jetzt.“
    Sie kniff ihm fest in den Po, Jan schrie auf. Dann lachte er, schlug sich ein Laken um die Hüften und verschwand in der Küche.
    „Wir sind ja vorhin nicht mehr dazu gekommen, aber es lohnt sich. Es ist wirklich ein edler Tropfen.“
    Sie prosteten einander zu, und als Jan anfangen wollte, etwas zu sagen, legte sie ihm ihre Hand auf den Mund. „Pst, lassen wir die Welt noch ein bisschen draußen.“
    Anna war ihrem Mann bis heute eine treue Gefährtin gewesen. Trotzdem hatte sie jetzt kein schlechtes Gewissen, vielmehr schien ihr das, was geschehen war, unvermeidlich gewesen zu sein. Es lag auf der Hand, dass Tom verletzt sein würde, wenn er davon erfuhr. Deshalb beschloss Anna zu schweigen. Diese Affäre war im Moment doch nicht mehr als ein deutlicher Hinweis auf ihre körperlichen Defizite. Zum Glück war Jan von

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