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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Begrabenen, Nicht-mehr-Existenten, sprach von seinem Vater, der gleichfalls tot war, nicht mehr existent, der in einem Kühlfach im Keller des Gerichtsmedizinischen Instituts lag …
    »Die große Mappe von Ehrlich …«
    »Ehrlich?«
    »Ja, Ehrlich!« schrie die Frauenstimme plötzlich schrill. »Alte Wiener Stiche … die wollte er haben … unbedingt …! Albert Ehrlich …«
    »Ach so, natürlich. Albert Ehrlich.«
    »Der Inspektor dachte an die Techniker«, sagte Groll leise. Sein rechter Zeigefinger strich auf der Glasplatte zärtlich die Umrisse des großen, grünlich-silbrigen Ginkgo-Blattes nach, die Rundungen, den tiefsten Einschnitt. »
Zeit!
Die Techniker brauchten Zeit, um die richtige Relaisverbindung zu finden.«
    Aranda nickte. Mit aufheulender Sirene fuhr in der Tiefe ein Funkstreifenwagen davon.
    »Alle die Menschen im Laden … ging nicht … wir hatten den Ehrlich natürlich … ich sage, nein, haben wir nicht … Kann den Ehrlich aber beschaffen, sage ich … Bis wann, fragt er … muß noch heute sein, morgen fliegt er weg …«
    »Das stimmt!« Manuel Aranda sah auf. »Am zehnten Januar, zeitig, sollte mein Vater nach Paris fliegen und dort die Anschlußmaschine nach Buenos Aires nehmen. Der Kongreß hier war doch bereits am Siebten zu Ende!« Er starrte Groll an. »Warum ist er überhaupt nicht schon am Achten geflogen? Was hat er noch in Wien zu tun gehabt?«
    »Ja, was?« sagte Groll. Er dachte: Wenn wir es herausfinden und es dir sagten, wie unglücklich wärest du dann? Grolls Finger strichen um die beiden Hälften des Ginkgo-Blattes.
Sind es zwei, die sich erlesen, daß man sie als eines kennt?
Uns alle kennt man nur als Eines, dachte Groll, und doch sind wir gespalten in eine Nachtseite, eine Tagseite. Du, junger Mann, kennst bisher nur die Tagseite deines Vaters. Die Nachtseite kennst du nicht. Du kannst dir nicht vorstellen, daß es sie gibt. Wie wirst du reagieren, wenn ich dir gut zurede? Ich muß mit größter Vorsicht operieren, dachte Groll und antwortete: »Ich weiß nicht, was Ihren Vater noch in Wien festhielt.«
    Und das ist eine Lüge, dachte er.
    Indessen hatte Valerie Steinfelds Stimme schon weitergesprochen:
    »… mußte es riskieren … Soll noch einmal kommen, aber nicht vor sieben, sage ich zu ihm …«
    Die Stimme des Revierinspektors: »Nicht vor sieben? Sie schließen doch schon um halb!«
    »Na eben deshalb, Herrgott!« Pause. Aus dem Lautsprecher ertönte ein Geräusch, wie es entsteht, wenn jemand ein Glas hastig vollgießt und trinkt. »Die Angestellten … nie schnell genug können die weg … immer schon fünf nach halb fort …«
    Aranda saß zusammengesunken da und starrte das Magnetophon auf dem Tischchen an.
    Du armer Hund, dachte Groll. So jung. So hilflos. So verloren. Und ich kann dir nicht helfen. Niemand kann dir helfen, niemand wird dir helfen. Im Gegenteil, ach, im Gegenteil!
    »… nur Martin und seine Schwester … die bleiben oft noch eine Weile«, war Valerie Steinfelds Stimme fortgefahren. »Sage ich, sie sollen ruhig schon gehen, ich mache alles … Tageslosung … und so … und sperre ab …«
    »Aha.«
    »Aber dann wieder die Angst, daß er nicht kommt …«
    »Verstehe.«
    »Fünf nach sieben … kommt er dann … voller Schnee … natürlich herrlich für mich …« Die Stimme gluckste. Valerie Steinfeld lachte betrunken. Es klang grausig. Die Stimme lacht, dachte Aranda, und die Frau, der die Stimme gehört hat, liegt schon unter der Erde.
    »Wieso herrlich?«
    »Er sollte es doch im Cognac kriegen … wegen dem Geschmack … und wegen der Magensäure … alles genau überlegt … Sage ich: Unbedingt Mantel ausziehen und etwas trinken … Holen sich ja sonst den Tod! Den Tod –
hahaha!«
    Manuel Aranda richtete sich plötzlich auf. Sein Unterkiefer schob sich vor, er winkelte die Arme ab, ballte die Hände zu Fäusten und holte tief Atem.
    Aggression, dachte Groll. Ausgelöst durch das Lachen. Angeboren ist das, nicht anerzogen. Lehrt uns die Verhaltensforschung. Ein Fall von Aggression, tausendmal habe ich das schon erlebt in diesem Zimmer. Es ist immer dasselbe. Seit der Eiszeithöhle hat der Mensch sich in der Substanz – der psychischen und physischen – nicht geändert. Was seither passiert ist, das war
kulturelle
Evolution, keine
natürliche.
    Die angeborenen Verhaltensweisen – immer noch dieselben.
    Die Emotionen – immer noch die gleichen wie damals.
    Und der Verstand? Ach

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