Und Jimmy ging zum Regenbogen
wahr?«
»Ja.«
»Na also.« Santarin nahm noch ein Stück Konfekt. Der Brillantring an seiner Hand blitzte rot, grün und weiß, als er die Hand bewegte. »Aranda schläft bei offenem Fenster, das wissen wir. Sie kommen von draußen, über die Balkone. Keinerlei Schwierigkeit. Er wird schlafen, als wäre er tot. Sie holen das Papier – Sie wissen ja jetzt, wie es aussieht, was darauf steht. Sie haben Zeit. Auch wenn der Bogen nicht mehr in der Brieftasche ist – dann suchen Sie ihn eben. In aller Ruhe. Es kann überhaupt nichts passieren. Morgen früh bringen Sie das Papier hierher.«
Romath saß reglos.
»Sie wollen nicht?«
»Was bleibt mir übrig? Sie haben mich in der Hand«, sagte der weißhaarige Hoteldirektor und sah den Russen ausdruckslos an.
»Ich wußte ja, Sie nehmen Vernunft an, lieber Graf.«
»Vernunft, ja«, sagte Romath. Er steckte das Glasröhrchen ein. »Nun möchte ich doch etwas trinken!«
Grant lachte dröhnend und machte einen Drink, den er dem Grafen reichte. Der trank gierig.
»Noch einen, bitte«, sagte er.
»Nein, nein, Sie müssen Auto fahren. Die Straßen sind in einem verheerenden Zustand«, sagte Santarin.
»Aber ich brauche noch …«
»Haben Sie nichts im Büro?«
»Nein. Und in die Bar kann ich nicht gehen oder mir etwas bringen lassen. Das würde auffallen. Ich trinke sonst auch nicht.«
»Hier.« Grant überreichte dem Grafen eine volle Flasche, die er aus einer Wandbar nahm. »Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.«
»Ich danke Ihnen.«
»Verschwinden Sie, los!« sagte der Amerikaner unvermittelt brutal.
»Keine Zeit zu verlieren. Nun hauen Sie schon ab!«
»Gilbert, bitte!« Santarin verzog schmerzlich das Gesicht. Er entschuldigte sich für den Amerikaner, begleitete den Grafen in den Vorraum, half ihm in den Mantel und wünschte ihm alles Gute. Im Stiegenhaus wartete er, bis Romath die Eingangstür erreicht hatte. Dann drückte er auf den elektrischen Öffner. Die Tür fiel wieder ins Schloß. Bald darauf startete ein Wagen.
Santarin ging in Grants Wohnung zurück. Der massige Amerikaner lag in einem Sessel, die dicken Beine von sich gestreckt, ein Glas in der Hand. Er sagte mühsam: »Jetzt wird es klappen, verflucht noch mal.«
»Hoffentlich.« Santarin sah seinen Kollegen ernst an. »Dieses elende Saufen! Sie gehen noch drauf dabei! Es ist schrecklich für mich, Ihren Verfall miterleben zu müssen.«
»Ich kann es nicht lassen, das wissen Sie doch.«
»Dann müssen Sie eine Kur machen.«
»Ich kann das alles aber nur noch mit Whisky aushalten.«
»Wieso? Was ist denn passiert?«
»Die Menschen«, sagte Grant lallend. »Die Menschen tun mir leid.«
»Das ist doch besoffener Quatsch!«
»Nein, Fedor, nein …« Der Amerikaner hatte Tränen in den Augen.
»Sie und die Menschen leid tun«, sagte Santarin. »Das ist ja ein Witz, Als sie in Chicago bei diesem Syndikat Geldeintreiber waren und Kunden, die nicht zahlen wollten, halbtot schlugen, taten Ihnen da die Menschen leid?«
»Nein, das stimmt … Da war ich aber auch viel jünger …«
»Und später! In Los Angeles! Als Sie bei dieser Bande der große Planer waren! Als Sie bei jenem Bankeinbruch den Nachtwächter erschossen …«
»Es ist ein Unglücksfall gewesen, Fedor. Ich wollte den Mann nicht erschießen. Nur in die Knie treffen, damit er nicht zur Alarmanlage rennen konnte. Ich …«
»Ja, ja, ja, das kenne ich alles auswendig. Er starb aber an dem Magenschuß. Er hatte Frau und Kinder. Und hat er Ihnen leid getan? Einen Dreck hat er Ihnen leid getan! Es sind Ihnen nie die geringsten Schuldgefühle gekommen, ich habe Sie oft genug gefragt! Als die Kerle dann an Sie herantraten und Ihnen den kleinen Vorschlag machten, nahmen Sie da nicht sofort an – mit Freuden, um Ihre Haut zu retten? Antworten Sie!«
»Doch, ja …« stöhnte Grant.
»Und wurden Sie nicht plötzlich Hauptzeuge der Anklage und kamen frei? Na ja. Und dann … Haben Sie seither nicht dreiundzwanzig Jahre lang prima für die Kerle gearbeitet? Haben Ihnen dreiundzwanzig Jahre lang die Menschen leid getan, die durch Ihre Schuld draufgingen?«
»Ja, sie haben mir leid getan. Zuerst nicht. Überhaupt nicht. Aber dann, so vor sechs, sieben Jahren, da fing es an. Da fing ich auch an zu saufen. Und es wurde immer schlimmer, immer schlimmer! Jetzt ist es ganz schlimm geworden! Clairon. Romath. Aranda. Nicht nur die tun mir leid, Fedor, nicht nur die! Alle Menschen! Denn wir arbeiten doch gegen die Menschen,
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