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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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muß ich ins ›Metropol‹ kommen, und sie stellen Fragen, Fragen … Und ich weiß keine Antwort, ehrlich nicht! Das müssen die sogar merken, und da lassen sie mich immer wieder laufen … Wirklich getan haben sie mir nichts … dem Buben auch nicht …« Valerie fragte abrupt: »Woher wissen Sie von meinem Mann und mir?«
    »Ich bin … im diplomatischen Dienst … als Kurier«, antwortete Nora. »Ich fliege zwischen Lissabon und Wien hin und her.«
    »Ach, so ist das.«
    »So ist das. Lissabon quillt über von Menschen wie mir, Männern und Frauen aller Nationalitäten …«
    »Ja, davon habe ich gehört.«
    »Nun also. In Lissabon hatte ich mit einem englischen Kollegen zu tun. Wir … befreundeten uns. Da erzählte er mir, daß er gerade Ihren Mann kennengelernt hat. In London. So kam die Verbindung zustande.« Valerie nickte.
    »Sie lieben diesen Engländer, nicht?«
    »Ja«, sagte Nora.
    »Mein Gott, und wie soll das mit Ihnen werden?«
    »Wir wollen heiraten, sobald der Krieg zu Ende ist. Kann uns hier bestimmt niemand hören?«
    »Kein Mensch.«
    Nora sagte, für einen Moment entrückt und glücklich: »Ja, Jack und ich werden heiraten. Und in England leben. Er hat da einen alten Landgasthof geerbt. An der Küste von Sussex. In der Nähe von Hastings. Ich habe Fotos gesehen. Riesige alte Bäume rundherum, an einer Landstraße mit lauter Pappeln …« Sie unterbrach sich: »Was interessiert Sie das? Es geht um Ihren Mann!« Valeries Blicke hingen an Noras Lippen. »Er wollte Ihnen schreiben. Aber das hat mein Freund ihm ausgeredet. Es wäre zu gefährlich gewesen für mich, einen solchen Brief nach Deutschland zu schmuggeln, nicht wahr?«
    »Natürlich …«
    »Also bin
ich
der Brief Ihres Mannes. Vertrauen Sie mir?«
    »Ja«, sagte Valerie und fuhr mit dem schmutzigen Handrücken über die Augen. »Ich vertraue Ihnen.«
    »Gut. Ihr Mann hat eine kleine Wohnung in London. 30, Eaton Mews South. Zuerst mußte er natürlich auf die Isle of Man – wie alle Flüchtlinge. Und dann benötigte er noch die Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung. Aber die bekam er schon vor drei Jahren. Sie brauchen Leute wie ihn. Ihr Mann ist Nachrichtensprecher im Deutschen Dienst der BBC .« Valeries Gesicht wurde von einem Lächeln erhellt.
    »Also doch! Also doch! Er hat es geschafft! Und ich habe seine Stimme wirklich erkannt!« Valerie preßte eine Hand an die Schläfe. »Ich wußte doch nichts von ihm. Nicht einmal, ob seine Flucht gelungen war … So entsetzlich lange wußte ich überhaupt nichts. Ich sagte mir, daß er vielleicht als Radiosprecher in London arbeitet –
wenn
er London erreicht hat. Aber wie sollte ich das herauskriegen? Mit dem alten Radio bei mir zu Hause kann man BBC nur am Abend empfangen. Und da geht es nicht.«
    »Wegen des Jungen.« Nora nickte.
    »Wegen Heinz, ja. Dann kam endlich dieser ›Minerva 405‹ auf den Markt.« Valerie wies zu dem großen Radioapparat. »Gleich habe ich einen gekauft. Und ich habe gebetet: Laß mich seine Stimme hören, lieber Gott, laß mich doch seine Stimme hören,
bitte!
Es dauerte ein paar Tage. Dann hörte ich eine Stimme, die klang wie seine. Je öfter ich sie hörte, um so mehr klang sie wie Pauls Stimme. Zuletzt war ich schon ganz sicher –
fast.
Und glücklich. So glücklich! Und dazwischen immer wieder so verzweifelt. Denn vielleicht war es doch nicht seine Stimme. Aber nun weiß ich es: Sie ist es! Sie ist es!
Seine Stimme …
Glauben Sie, daß ich überhaupt kaum begreife, was Paul spricht? Nur an ihn denken kann ich dann. Es ist, als ob er wieder bei mir wäre …«
    Nora sagte nervös: »Er wird wieder bei Ihnen sein, Frau Steinfeld.«
    »Wann?«
    »Wenn wir den Krieg verloren haben.«
    Valerie sank zusammen.
    »Was haben Sie? Glauben sie etwa, wir gewinnen diesen Krieg?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber wie lange kann es dauern, bis wir ihn verloren haben? Immer noch siegen wir.«
    »Nicht mehr überall. Und gar nicht mehr lange.«
    »Und dann? Die Nazis geben doch nicht auf, solange noch ein Stein auf dem anderen steht! Ob wir es überhaupt erleben?«
    »Wir werden es erleben«, sagte Nora. Jetzt hatte sie Mitleid mit der einsamen Frau. Mein Gott, dachte sie, und was erwartet dich noch, was muß ich dir noch sagen, mir graut davor, mehr und mehr. »Natürlich werden wir es erleben! Ich gehe dann nach England mit meinem Freund, und Sie leben wieder mit Ihrem Mann zusammen. Sie hatten doch eine besonders glückliche Ehe, sagte man

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