Und Jimmy ging zum Regenbogen
mir.«
Valerie nickte versonnen. »Besonders glücklich, ja. Alles haben wir zusammen getan. Reisen, Theater, Kino. Nicht einmal essen ist er allein gegangen, wenn ich krank war! Dann hat er auch nicht die Köchin für mich sorgen lassen, dann kochte er selber! Gut. Das konnte er wunderbar!« Sie senkte die Stimme. »Und bis zum letzten Tag haben wir zusammen in einem Bett geschlafen. In
einem
Bett. All die vielen Jahre … Manchmal, nachts, da habe ich wahnsinnige Angst, daß es noch viele Jahre dauert. Dann bin ich eine alte Frau. Sie schütteln den Kopf, aber sehen Sie sich meine Augen an. Die Krähenfüße. Tränensäcke kriege ich auch schon.« Tatsächlich, dachte Nora. Da sind Fältchen und Schatten unter den Augen, und Runzeln, feine, ganz feine. Wie lange werden sie noch so fein bleiben? In dem schlechten Licht draußen habe ich es nicht gesehen. Jetzt, da diese Frau sich vor die Lampe neigt, kann ich es deutlich erkennen … Nora lachte.
»Aber das ist doch Unsinn, Frau Steinfeld! Das reden Sie sich ein! Jung und schön werden Sie aussehen, wenn Ihr Mann wiederkommt.«
»Wissen Sie, mein Paul, der hat nie eine andere angeschaut. Er hat gesagt, für ihn bin ich die Aufregendste von allen! Dabei war ich nie wirklich hübsch …«
»Sie sind
schön,
Frau Steinfeld«, sagte Nora, und immer größer wurde ihr Mitleid.
»Ach, hören sie auf!
Er! Er
hat gut ausgesehen! Was glauben Sie, was dem die Frauen nachgelaufen sind! Sein Charme! Der Mann hat einen Charme! Aber immer wollte er nur mich.« Valerie blinzelte vertraulich. »In Wirklichkeit war er bloß so verrückt nach mir, weil ich ihn so amüsiert habe. Sie glauben nicht, was er gelacht hat über mich.«
»So komisch waren Sie?«
»Nie bewußt. Aber wenn ich etwas beurteilt oder mich empört habe, wenn ich meine Ansichten sagte – Gott, hat er da immer über mich lachen können! Bis heute weiß ich nicht genau, warum.«
»Und Herr Landau gestattet, daß Sie hier London hören?«
Valerie winkte ab.
»Der stirbt immer noch jedesmal. Am liebsten möchte er mich umbringen, solche Angst hat er. Es ist doch streng verboten, und er ist in der Partei.«
»Ja, das habe ich gesehen.«
»Nur aus Angst hineingegangen. Der beste Mensch von der Welt, der Martin … der Herr Landau. Wir kennen uns so gut und so lang, darum sage ich Martin. Wir duzen uns, wenn wir allein sind.«
»Das weiß ich auch.«
»Seine Schwester, die Tilly, die würde es mir ja verbieten. Er verrät mich aber nicht! Ich höre täglich die Mittagssendungen, wissen Sie. Ich koche für ihn und mich etwas hier im Teekammerl – oft bringe ich schon Vorgekochtes mit –, und dann treibe ich ihn an, schnell, schnell, damit ich den Anfang von der Sendung nicht verpasse. Über Mittag haben wir doch gesperrt. Ich räume rasch ab und spüle die Teller, und dann nehme ich das da« – Valerie wies zu einer großen, bunten Wolldecke, die auf dem alten Sofa lag – »und setze mich ganz nahe an den Apparat, das da über dem Radio und über dem Kopf, und dann höre ich London … oft … so oft höre ich ihn … das letzte Mal gestern …«
»Wann?«
»Gestern. Am Abend. Ich bleibe auch häufig nach Geschäftsschluß da, wenn er schon weg ist, der Martin. Noch klarer wird der Empfang dann. Meine glücklichste Stunde ist das … Ich sitze da, und seine Stimme ist bei mir … ganz nah … ganz nah …« Valeries Gesicht war plötzlich so weich und schutzlos, daß es Nora das Herz zusammenkrampfte. »Sogar an Sonntagen und an Feiertagen, zu Weihnachten und zu Ostern komme ich her. Heinz ist doch noch so jung, den will ich nicht belasten … Wenn ich zu Mittag London höre, läuft mein armer Martin immer weg, rund um den Häuserblock. Er will nicht dabei sein! Solche Angst hat er!«
»Gestern erst …« wiederholte Nora Hill. Sie dachte: Diese Frau glaubt, gestern die Stimme ihres Mannes gehört zu haben. Und dabei sagte mir Jack noch, daß Paul Steinfeld in dieser Woche Urlaub hat. Es kann also nicht seine Stimme gewesen sein.
»Sie wird natürlich glauben, genau die Stimme ihres Mannes zu erkennen«, hatte Jack Cardiff zu Nora gesagt. »Steinfeld nimmt das auch an. Laß sie in dem Glauben, er wird sie glücklich machen. Auch wenn sie sich irrt und irrt und irrt.«
»Aber wieso?«
»Nach dem, was Steinfeld mir erzählt hat«, hatte Jack Cardiff gesagt, »werden die Sprecher zwar nicht auf einen bestimmten Tonfall gedrillt; aber es ist ganz so wie in einer großen Familie: Die
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