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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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beschäftigt, vernehmen. Gleich darauf fragte sie: »Was ist bloß, Burschi? Hast mich denn gar nicht lieb?«
    »Kikeriki!« krähte der Holländer. Jetzt hatte er Tränen in den Augen. Wenn das nur alles schön in den Recorder kommt, dachte Nora und sagte: »Ich denke, es genügt.« Sie schaltete den Apparat ab und kehrte elegant und schnell auf ihren Krücken zum Kamin zurück, wo sie sich in ihren Sessel gleiten ließ. »Entschuldigen Sie die Unterbrechung. Aber Geschäft ist Geschäft. Wo war ich gerade, als – ach ja. Die Ladentür hatte jemand abgesperrt. Ich rüttelte an ihrer Klinke …«

38
    Sie rüttelte an der Klinke der verschlossenen Tür. Sie begriff das nicht. Wieso war hier abgesperrt? Die Totenstille im Laden machte sie plötzlich furchtbar nervös. Sie fühlte Angst in sich emporschießen. Was war geschehen? Vorsichtig blickte Nora über den grünen Vorhang an der Glasscheibe der Tür hinweg nach draußen. Es war kein halbes Dutzend Menschen in der Seilergasse zu sehen.
    Aber ich kann die Tür nicht einfach einschlagen, dachte Nora. Ich muß durch den zweiten Ausgang hinaus. Jenen, durch welchen der Kerl kam, den ich niederschlug. Es muß einen geben, zum Hof wahrscheinlich, hinter den Magazinen. Der Kerl ist bestimmt noch nicht sehr aktionsfähig. Natürlich kann ein Kollege von ihm bei dem zweiten Ausgang warten. Schlimm. Aber ich muß es einfach riskieren. Raus! Nur raus hier!
    Nora Hill rannte zu dem Gang in der Bücherwand wieder zurück. Im ersten Magazin brannte nun elektrisches Licht. Valerie Steinfeld kniete neben dem Mann, ihn halb verdeckend. Nora hielt die Pistole in der Hand – jetzt richtig. Ich komme hier weg, dachte sie. Ich komme hier weg! Wenn der Kerl am Ende noch ohnmächtig ist, geht das ganz schnell. Sie machte drei Schritte vorwärts. Martin Landau war nicht ohnmächtig. Martin Landau.
    An ihn hatte Nora in den letzten Sekunden überhaupt nicht mehr gedacht. Da lag er auf dem staubigen Boden, die Augen geöffnet, leise stöhnend, ein Taschentuch an die rechte Schläfe gepreßt. Das Tuch war bereits durchtränkt, Blut tropfte auf die Erde, beschmutzte seinen Anzug. Nora Hill erschrak nicht, als sie sah, was sie angerichtet hatte, Landau tat ihr auch nicht leid. Sie wurde nur wütend.
    »Was führen Sie hier für Idiotenspiele auf?« zischte sie ihn an.
    Er hob den Blick.
    »Sie … Sie …« begann Martin Landau.
    »Haben Sie Verbandzeug?« fragte Nora, an Valerie gewandt.
    »Im Teekammerl …«
    »Holen Sie, was da ist.«
    »Blut …« ächzte Landau. Er würgte. »Ich kann kein Blut sehen …«
    »Wenn ich Ihren Schädel verbunden habe, werden Sie kein Blut mehr sehen. Es tut mir leid«, fügte sie freundlicher hinzu. »Aber weshalb schleichen Sie da herum? Wie sind Sie überhaupt auf diese Seite der Kammer gekommen?«
    »Gestapo …«
    »Was?«
    Er schluckte Blut, das ihm in den Mund lief, und sah Nora an.
    »Was, Gestapo? Reden Sie!«
    »Ein Mann … Muß von der Gestapo sein … Ich habe immer wieder durch die Tür hinausgesehen, während Sie hier waren … Er stand da, die ganze Zeit … Und er ließ das Geschäft nicht aus den Augen …«
    »Da steht kein Mensch«, sagte Nora.
    »Es stand einer da.«
    »Wo?«
    »Drüben, schräg gegenüber, Ecke Neuer Markt …«
    »Wie sah er aus?«
    »Groß und schlank … blauer Mantel und blauer Homburg …«
    »Ein Gestapomann mit einem Homburg? Haben Sie schon mal einen Gestapomann gesehen?«
    Nora sprach noch ironisch. Aber da war plötzlich der Stachel des Zweifels in ihrem Herzen. Und wenn dieser Feigling doch nicht nur phantasiert? Und wenn ich wirklich beobachtet werde? Blauer Homburg … vielleicht ist der Mann tatsächlich hinter mir her? Und bei der Gestapo? Blauer Homburg – dann trägt er eben
gerade
so einen Hut! Nicht superschlau werden. Vielleicht ist das auch jemand ganz anderer. Ich bin in Deutschland. Da bespitzelt jeder jeden. Wer weiß, wer das war? Wer weiß, wer das ist? Jetzt habe ich wieder Angst. Große Angst. Vielleicht kann dieser Landau überhaupt nichts dafür. Vielleicht sagt er die reine Wahrheit.
    »Es tut mir leid«, murmelte Nora Hill eindringlich. »Verzeihen Sie mir. Bitte. Es tut mir wirklich leid.«
    »Ich wollte Sie immerhin retten … Das ist der Dank … Ich habe ein schwaches Herz … deshalb wurde ich auch nicht eingezogen …«
    Valerie kam mit einer blauen Blechschachtel, die ein rotes Kreuz in einem weißen Kreis trug. Nora öffnete den Deckel.
    »Gut«, sagte

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