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Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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konserviert und beliebig oft mit einem Schmalfilm-Vorführgerät auf eine Leinwand projiziert werden. Aber das, dachte Nora, geht dich nichts an, mein Kleiner. »Der Beruf der Mädchen ist nicht ohne Risiko«, sagte Nora. »Wenn sie sich bedroht fühlen, brauchen sie nur auf einen Knopf zu drücken. Dann leuchtet da drüben bei der Tafel ein Feld mit der Zimmernummer auf. Ich kann sofort den Apparat einschalten und, wenn nötig, Georg und noch ein paar Männer hinschicken.«
    Manuel sah zur Fensterwand. Von einem Vorhang halb verdeckt erblickte er ein schwarzes Glaskästchen, wie es in den Kammern der Hotels für die Etagenkellner angebracht ist.
    »So, da sind sie«, sagte Nora.
    Manuel sah auf dem großen Bildschirm, daß die Tür des Spiegelzimmers sich öffnete und der Holländer hereinkam. Einen Arm hatte er um die rote Yvonne gelegt, die nun ein schwarzes Cocktailkleid trug. In der Hand hielt sie ein Büschel offenbar prächtig bunter Federn, jede gewiß einen halben Meter lang, sehr dünn und mit feinen Härchen.
    »Heute«, erklang De Brakeleers Stimme, »mein Puttputtputt, werde ich dich bespringen, daß dir Hören und Sehen vergeht.«
    »Ja, Liebling, ja«, sagte Yvonne. Sie verschwanden beide hinter einem Paravent.
    »Dauert noch einen Moment, bis sie sich ausgezogen haben und er präpariert ist«, sagte Nora Hill. Sie schwang auf ihren Krücken zum Kamin, nahm die Zigarettenspitze und ihr Whiskyglas und kehrte zum Fernsehapparat zurück. »Nur ein paar Minuten, dann erzähle ich weiter.«
    Der Bildschirm zeigte nun das leere Zimmer. Hinter dem Paravent ertönten undeutliche Stimmen.
    »Wie sind Sie eigentlich Agentin geworden?« fragte Manuel. Nora zuckte die Schultern.
    »Bald nach dem Tod meiner Mutter verunglückten meine Pflegeeltern – ein Lastauto fuhr in ihren Heuwagen. Tot, beide. Ich kam in ein Fürsorgeheim. Da blieb ich sechs Jahre. Ich war außerordentlich frühreif und stark entwickelt. Der Leiter des Heims wurde völlig verrückt nach mir. Das heißt, ich legte es darauf an, daß er verrückt wurde. Als ich zwölf war, vergewaltigte er mich. Weil ich vergewaltigt werden wollte. Aber das hat er nie gemerkt. Natürlich erpreßte ich ihn. Er war verheiratet, drei Kinder. Der erste Mann, den ich erpreßte – klein, klein nur, er hatte kaum etwas. Er konnte bloß durchsetzen, daß ich nach Berlin kam und ein Stipendium im Cäcilien-Lyzeum erhielt. Er hatte eine Schwester in Berlin. Bei der durfte ich wohnen. Na, los, beeilt euch«, sagte sie in den Apparat.
    »Und weiter?«
    Nora trank, blies Rauchringe aus.
    »Weiter! Mit fünfzehn war ich die Freundin eines Bankiers. Arthur von Knichtlein. Ein ekliger Hund. Auch verheiratet. Den sahnte ich schon ordentlich ab. Eigene Wohnung, der erste Pelz, der erste Schmuck … Ich habe alle meine Männer abgesahnt … bis auf einen …«
    »Jack Cardiff.«
    »Jack Cardiff.« Sie nickte, rauchte und trank einen großen Schluck. »Der war der einzige. Aber sonst … Herr von Knichtlein hatte einen guten Freund im Innenministerium. Als ihn eines Tages der Schlag traf – den Knichtlein, es geschah in der Bank –, wurde ich schnell die Geliebte jenes Herrn aus dem Ministerium. Da war ich siebzehn. Und sehr schön, das kann ich sagen. Meine Liebhaber wechselte ich dauernd. Ich war bald schon
die
Sensation von Berlin. Und mit zweiundzwanzig bereits eine reiche Frau. Villenappartement im Grunewald, Auto, Bankkonto. Und Schmuck, Schmuck, Schmuck!« Nora lachte. »Das war eine Besessenheit von mir. Schmuck und Steine. Diamonds are a girl’s best friend, Sie wissen ja. Ich machte das systematisch. Kapitalanlage. Die feinste, die es gibt. Steine verlieren nie ihren Wert, sie sind klein, man kann sie leicht verstecken, verschieben, mitnehmen, wenn man flüchten muß. 1942, als ich in diese Steinfeld-Affäre hineingezogen wurde, lag ein Vermögen, ein wirkliches Vermögen an Schmuck und Steinen in dem Banksafe in Lissabon.«
    Phantastisch, dachte Manuel, die Frau auf den Krücken betrachtend, das alles ist phantastisch.
    »Ich nahm die Männer, ließ sie fallen, reichte mich selber weiter – warum soll ich nicht darüber reden? Ich war die Königin des ganzen Auswärtigen Amtes. Als dann der Krieg begann und es ernst wurde – ich hätte womöglich noch in einer Fabrik arbeiten müssen! –, suchte ich mir den interessantesten Mann aus. Das war …«
    »… dieser Herr Flemming, dessen Schwester …«
    »… den Adjutanten von Kaltenbrunner geheiratet

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