Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Und Jimmy ging zum Regenbogen

Und Jimmy ging zum Regenbogen

Titel: Und Jimmy ging zum Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
Vom Netzwerk:
hast du es versprochen?«
    »Paul Steinfeld«, sagte er.
    »Was will Steinfeld?« fragte Nora. Jack hatte ihr von diesem emigrierten Österreicher, dem er in London begegnet war, erzählt, von seiner Frau Valerie, von seinem Sohn Heinz, von den großen Sorgen, die Steinfeld sich machte, weil er nicht wußte, wie es den beiden ging.
    Cardiff trank wieder. »Vieles weißt du schon. Ich erkläre dir das Hauptproblem. Wenn es dir zu riskant erscheint, kannst du immer noch nein sagen. Ich werde dir wahrhaftig nicht böse sein.«
    »Sprich«, sagte Nora. Sie hatte große, schöne Brüste, einen schlanken, ebenmäßigen Körper, lange Beine mit festen Schenkeln und makellos geschwungenen Waden. »Sprich. Und nimm die Hand nicht weg da, bitte.«
    »Hör zu.« Er zog an seiner Zigarette. »Du weißt, die BBC hat phantastische Informationen. Besonders der Deutsche Dienst. Immer wieder bekommen diese Leute die neuesten Geschichten aus Deutschland heraus – es grenzt an Zauberei. Nun haben sie Berichte erhalten, die Steinfeld sehr beunruhigen. Er ist Volljude, wenn auch evangelisch getauft. Seine Frau ist Arierin. Herrgott, dieses Wort! Der Sohn, an dem Steinfelds ganzes Herz hängt, ist also ein Mischling Ersten Grades. Wäre sein Vater nur Halbjude, wäre er Mischling Zweiten Grades. Dann hätte Steinfeld nicht solche Angst um ihn …«
    »Die Hand. Laß die Hand da liegen, bitte.«
    »Bis vor kurzem haben die Nazis Mischlinge Ersten und Zweiten Grades ganz in Ruhe gelassen. Halbjuden durften Soldaten werden, studieren …«
    »Nur bis Anfang dieses Jahres«, sagte Nora.
    »Stimmt. Nur bis Anfang dieses Jahres. Dann kamen die ersten Maßnahmen. Die radikale Gruppe um Himmler begann sich gegen Goebbels durchzusetzen, der das ganze Problem auf die Zeit nach dem Endsieg verschieben wollte. Zuerst wurden die halbjüdischen Soldaten heimgeschickt. Dann folgten Schikanen aller Art. Sie steigerten sich. Aus lächerlichsten Anlässen wurden Mischlinge Ersten Grades – besonders solche mit jüdischen Vätern, mit
emigrierten
jüdischen Vätern! – verhaftet, eingesperrt, in Arbeitslager gesteckt. Und das, sagt Steinfeld, soll nun rasch immer schlimmer werden. Sie haben ihre Nachrichten. Er weiß, wovon er redet. Mit der ›Lösung nach dem Endsieg‹ ist es vorbei!«
    »Und?« fragte Nora. Sie legte ihre Hand auf die von Cardiff und hielt sie fest.
    Er rauchte nervös.
    »Steinfeld sagt, die Nazis bereiten ein Gesetz vor, nach dem Mischlinge Ersten Grades – Bonzen und ihre Verwandten natürlich ausgenommen – Juden gleichgestellt werden sollen. Der Krieg geht langsam schief. Man braucht Ablenkung, Beunruhigung, neuen Terror. Natürlich hat das in den betroffenen Kreisen bereits eine Reaktion ausgelöst. Steinfeld erzählte, sie hätten Kenntnis davon, daß in Deutschland seit einiger Zeit Vaterschaftsprozesse geführt werden. Da tritt die Mutter eines Halbjuden, dessen Vater unerreichbar ist, vor Gericht und schwört, ihr Kind sei der ehebrecherischen Verbindung mit einem arischen Mann entsprungen. Der eigene Mann komme also nicht als Vater in Frage.«
    Nora ließ Cardiffs Hand los. Sie hielt ihr Glas hin.
    »Mach mir noch einen, bitte«, sagte sie, und, während er zwei weitere Gin-Tonics bereitete: »Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Die Beteiligten schweigen natürlich. Auch die Richter. Es soll nicht publik werden. BBC hat ein paar Dutzend konkrete Fälle katalogisiert. Hier bitte.«
    »Danke, Jack.«
    »Mud in your eye, Darling.«
    »Mud in your eye.«
    »Es gibt bereits Spezialisten unter den Anwälten. Denn so ein Prozeß ist kompliziert. Man muß einen Arier haben, der den Meineid schwört, der wirkliche Vater gewesen zu sein. Steinfeld denkt da an einen alten Freund, bei dem Frau Steinfeld jetzt arbeitet, an den Buchhändler Landau. Er ist der einzige, an den Steinfeld denken kann. Dann muß es Zeugen geben. Was da noch alles nötig ist! Ich sage dir ja, ohne Spezialanwalt geht das gar nicht. Steinfeld kennt einen Anwalt in Wien, persönlich, der dafür in Frage käme. Das ist ein Antinazi, wie er im Buch steht! Der würde die Sache sofort übernehmen …«
    Nora ließ sich, das Glas in der Hand, langsam zurückgleiten.
    Jack Cardiff fuhr fort: »Natürlich macht es vor Gericht einen guten Eindruck, wenn es da Zerwürfnisse zwischen Vater und Sohn gab, Zwistigkeiten, wenn der Junge den wirklichen Vater haßt. Steinfeld sagt, Heinz hat in den letzten Jahren bestimmt allerhand durchmachen müssen a conto seiner

Weitere Kostenlose Bücher