Und Jimmy ging zum Regenbogen
Wölfin – wie die Streicher des Orchesters.
» AH ! ICH STERBE ! ICH STERBE ! WEITER !
WEITER, VATER !«
Laut wurde an die Tür geklopft.
Santarin erhob sich und öffnete. Nora Hill schwang auf ihren Krücken herein.
Ein Mann im pelzgefütterten Ledermantel, mit vor Kälte gerötetem Gesicht, folgte ihr.
»Was ist los?« fragte Santarin den Mann im Ledermantel. Er sprach russisch.
»Wir haben einen Ruf von Gogol bekommen«, sagte der junge Russe, die Leinwand anstarrend wie eine Geistererscheinung. »Wir haben einen Ruf von Gogol bekommen. Wir haben einen Ruf von …«
Santarin gab ihm einen Stoß.
»Schau da nicht hin, du Idiot!«
Nora hob eine Hand und winkte zur Vorführkabine hinauf. Der Film brach ab, ebenso die Musik. In dem kleinen Kino flammte Licht auf. Grant und Mercier traten zu den anderen.
»Was für einen Ruf? Wo seid ihr überhaupt?« fragte Santarin, jetzt deutsch.
»Zwei Straßen von hier.« Der junge Mann sprach auch deutsch. »Gogol ist Aranda nachgefahren, das wissen Sie, Genosse.«
»Ja. Und wohin fuhr der?«
»In den Neunten Bezirk.«
»In den … Da ist doch die Apotheke von dieser Waldegg!« rief Mercier. »Ja«, sagte der junge Mann, »Gogol vermutet, daß er dahin will.«
»Na und?« fragte Grant.
»Gogol meldet, daß ihn ein grauer Skoda überholt hat, ihn und Aranda. Nummer W 453 579. Das ist nach unserem Wissen der Wagen von diesem Albaner …«
»Zagon?« rief Mercier aufgeregt.
»Ja, Zagon«, murmelte der immer noch verwirrte junge Mann.
»Gogol fährt allein hinter Aranda her, weil Genosse Santarin gesagt hat …«
»Schon gut!«
Bereits zwischen dem zweiten und dritten Film waren Santarin und seine Kollegen hinaus zu ihren Autos geeilt und hatten über Kurzwellensender ihren Zentralen von der getroffenen Vereinbarung Mitteilung gemacht. In dieser Nacht sollten die Sowjets Manuel ›beschützen‹.
Santarin sagte schnell: »Und Gogol vermutet – sicherlich zu Recht –, daß Zagon auch unterwegs zu der Apotheke ist, wie?«
»Ja, Genosse.«
Der elegante Russe sah Nora an, und seine Stimme war auf einmal ganz leise und sehr gefährlich: »Ich habe Ihnen doch gesagt, Madame, daß Zagon hier festgehalten werden soll, solange wir es für gut befinden. Sie erklärten, er sei mit einem Mädchen auf ein Zimmer gegangen, und das Mädchen habe ihm ein Schlafmittel in den Cognac gegeben.«
»So schien es ja auch!« antwortete Nora aufgebracht. »Coco ging mit Zagon. Alles lief glatt – habe ich geglaubt. Als Ihr junger Mann hier mir vom Pförtner gemeldet wurde, schaltete ich vorsichtshalber den Fernsehapparat ein, das türkische Zimmer. Ich kann nichts dafür, meine Herren! So etwas ist bei mir noch nie passiert.«
»Was sahen Sie?« rief Grant wütend.
»Coco liegt auf dem Bett und schläft. Zagon ist verschwunden. Er muß etwas vermutet und die Gläser vertauscht haben.«
»Aber wie ist er aus dem Haus gekommen?«
»Ein Fenster steht offen. Er wird sich an den Reliefs draußen festgehalten haben.«
»Und Zagons Wagen?«
»Den hatte er wahrscheinlich auf der Straße geparkt. Er mußte nur noch über die Mauer klettern. Wirklich, ich kann Ihnen nicht sagen, meine Herren …«
»Schon gut, Madame.« Santarin lächelte höflich. Dann wandte er sich an seine Kollegen: »Darüber besteht Einigkeit, wie?«
Die anderen nickten.
»Auf keinen Fall darf Zagon an Aranda heran. Wenn er es doch versucht, ist verabredet, was zu geschehen hat. Los, los, in eure Autos! Es müssen auch Wagen von euch zur Apotheke, und zwar schnellstens!« Santarin sagte zu dem jungen Mann im Ledermantel: »Verständige Gogol. Möven-Apotheke. Sofort. Die Jungen wissen, was sie zu tun haben, wenn sie den Albaner sehen. Sie bekommen noch Verstärkung. Sag ihnen das.«
»Ja, Genosse.«
»Hoffentlich ist es noch nicht zu spät«, murmelte Mercier.
»Vielleicht setzen wir uns endlich in Bewegung! Wie wäre das?« fragte Santarin.
Die vier Männer stürzten aus dem Vorführraum.
47
Irene Waldegg kam aus dem Büro zurückgeeilt. Sie hielt einen Yale-Schlüssel in der Hand und sperrte fahrig die Eingangstür der Apotheke auf. An Manuels Seite hastete sie ins Freie, hinaus in die Kälte. Die Straße lag verlassen, erhellt von den Lampen des neuen Klinikums. An den Straßenrändern parkten viele Wagen, in der Nähe Manuels blauer Mercedes. »Ist er nur ohnmächtig oder …« Manuel, der sich über den Reglosen im Schnee neigte, sprach den Satz nicht zu Ende, denn der Mann sprang
Weitere Kostenlose Bücher