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Und keiner wird dich kennen

Und keiner wird dich kennen

Titel: Und keiner wird dich kennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis
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über ihr Verschwinden. »Ich muss noch Pizzas ausfahren. Ciao, bis später.«
    »Soso, wahrscheinlich stopfst du dich jetzt mit Pizza voll, und ...«
    Lorenzo gibt seiner Nonna einen Kuss auf die Wange, schnappt sich seine Jacke und geht. Da hätte sie sich keine Sorgen mehr machen müssen. Seit er Pizzas ausliefert, mag er selbst keine mehr essen. Er hat sich längst daran überfressen.
    In seiner Brieftasche steckt ein zerlesenes Blatt Papier, Majas letztes Lebenszeichen – er hat es immer bei sich. Die Telefonnummer dieses Polizisten steckt gleich daneben. Spontan zieht er sein Handy aus der Jackentasche und wählt die Nummer.
    »Ja?« Eine schroffe Stimme.
    »Herr Meinert?«, fragt Lorenzo, etwas aus dem Konzept gebracht. Anscheinend hat der Typ ihm seine Privatnummer gegeben.
    Ein kurzes Zögern, dann: »Was gibt es?«
    »Ich wollte fragen, ob sich im Vermisstenfall Maja Köttnitz schon etwas getan hat ...«
    Die Stimme wird etwas freundlicher. »Leider nein. Wir forschen weiter nach ihr, haben jedoch noch keinen Anhaltspunkt gefunden. Haben Sie neue Informationen?«
    »Nur, dass sie ihren Facebook-Account gelöscht hat«, berichtet Lorenzo.
    »Facebook. Ah. Verstehe. Danke. Wir bleiben in Kontakt.«
    Das war’s schon.
    Keine Hoffnung, nirgends. So langsam wird Lorenzo klar, dass ihm die Polizei nicht weiterhelfen kann.
    Er muss sich selbst auf die Suche machen.
    Als er Cedric anruft und ihm von seiner Entscheidung erzählt, entsteht am anderen Ende der Leitung ein langes Schweigen.
    »Äh, hallo, bist du noch dran?«, fragt Lorenzo.
    »Ja, ja, bin ich. Ich hätte da eine Idee«, sagt sein Freund schließlich. »Aber sag mir zuerst: Wie viel ist Maja dir wert?«
    Was sie ihm wert ist? Was ist das für eine seltsame Frage? Aber Lorenzo fällt die Antwort nicht schwer. »Alles«, sagt er.
    »Alles, was du hast?«, fragt Cedric noch einmal nach. »Okay. Verstehe. Bleib, wo du bist. Ich bin in einer Viertelstunde bei dir.«

Lügen
    Die neue Schule sieht ein bisschen aus wie ein Bunker, aber sie riecht gut, in der Pausenhalle duftet es nach frischem Käsegebäck. Majas Füße überqueren den rotbraunen Backsteinboden, steuern sie durch das Gewimmel der anderen Schüler und Schülerinnen. Es ist irgendwie schön, wieder andere Leute zu sehen als nur Lila und Elias. Kann das Leben jetzt weitergehen, irgendwie? Nein, kann es nicht , denkt Maja, und alles in ihr zieht sich zusammen vor Schmerz.
    Mühsam wendet sie die Gedanken zurück zu ihrer neuen Schule. »Hi«, sagt Maja zum nächstbesten Menschen, der ihr über den Weg läuft, einem Jungen aus der Unterstufe. »Wo ist denn das Sekretariat?«
    Der Junge deutet auf einen Gang im Erdgeschoss. Im Sekretariat stellt Maja sich vor und die Mitarbeiterin begleitet sie zum richtigen Raum. Auch die Treppenhäuser sind aus Beton, aber immerhin cool bemalt – im ersten Stock prangt auf der Wand ein Teufel mit Sense, ein paar Meter weiter hockt eine schwarze Spinne mit den Scheren eines Krebses in ihrem Netz.
    Als die Tür des Klassenzimmers aufgeht, richten sich alle Augenpaare auf sie. Auf dieses Mädchen, das Alissa heißt und – nein, nicht rothaarig ist, sondern aschblond, sie hat die Farbe umgetauscht.
    »Das ist eure neue Mitschülerin, Alissa Marquart«, sagt die etwas rundliche Lehrerin Frau Piermont, die Französisch unterrichtet. »Magst du dich kurz vorstellen, Alissa?«
    Nein. Mag sie nicht. Macht sie aber trotzdem. Weil sie es genauso gut hinter sich bringen kann.
    »Wir sind gerade aus Gießen hergezogen, weil meine Mutter schon immer in die Nähe von München wollte – wegen der Berge und so«, sagt Maja.
    Gelogen. Jedes Wort gelogen.
    Zum Glück erwartet niemand, dass sie noch mehr aus ihrem Leben erzählt, und Maja kann sich nach einem freien Platz umschauen. Außen in der mittleren Reihe ist noch etwas frei, neben einem Mädchen mit einem freundlichen, offenen Gesicht und strahlend weißen Zähnen. Vielleicht ist ihr Vater Zahnarzt.
    »Grias di, I bin die Johanna«, sagt ihre neue Banknachbarin, und etwas entgeistert murmelt Maja ein »Hi«. Dann nimmt sie ihre brandneuen Schulhefte aus dem Rucksack, ihr brandneues Mäppchen – im alten stand ihr Name – und ihre brandneuen Schulbücher. Die Lehrerin erzählt währenddessen etwas auf Französisch, es geht um die EU, Maja versteht nur die Hälfte davon. Zum Glück lässt Frau Piermont sie in Ruhe und Maja kann die anderen beobachten. Sie muss grinsen – ein paar schauen nicht nach vorne an

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