Und keiner wird dich kennen
heißt, und es bedeutet, dass er sich in regelmäßigen Abständen bei der Polizeidienststelle oder seinem Bewährungshelfer melden muss. Da er seine Strafe bis zum Schluss abgesessen hat, gibt es zum Glück keine Bewährung, die widerrufen werden kann. Trotzdem können ihm die Behörden Ärger machen, wenn er sich zu offensichtlich verweigert. Früher hat er die Steine, die sie ihm in den Weg legten, einfach ignoriert und sein Ding durchgezogen, auch noch im Knast, aber inzwischen ist ihm klar geworden, dass das nicht raffiniert genug war. Auf diese Art bekommt er Lila nicht zurück.
Also fährt er – nach einem verpassten Termin – mal wieder hin. Wenn er Glück hat, wird das eine beschauliche Märchenstunde. Aber diese Kerle sind gerissen, er wird vorsichtig sein müssen.
Sicherheitshalber ruft er noch einmal Milan an, für alle Fälle. »Brauchst du Hilfe? Soll ich kommen?«, fragt der gleich, was für ein Freund! Sie haben sich auf dem Flohmarkt kennengelernt, wo Milan alte Elektroteile vertickt hat. Nach und nach haben sie immer mehr Gemeinsamkeiten entdeckt – auch den Knast.
»Nee, geht schon, vielleicht später«, meint Robert beruhigt. »Ich sag dir Bescheid, okay?«
»Lass dich bloß nicht fertigmachen von den Bullen!«
Robert muss grinsen. »Mich macht keiner fertig.«
Sein Bewährungshelfer ist ein Sozialpädagoge namens Artur Mehring, der über sehr wenig Haare, dafür aber eindrucksvolle, unter dem engen T-Shirt gut sichtbare Muskeln verfügt. Sein Händedruck ist fest und sein Blick aufmerksam. »Kommen Sie rein – wie geht’s?«
»Jetzt wieder gut«, behauptet Robert Barsch. »Ich war krank, grippaler Infekt. Die meiste Zeit habe ich im Bett verbracht.«
»Ah, und deshalb haben Sie nicht angerufen, um Ihren Termin bei mir abzusagen?« Mehrings Blick ist kühl.
Das läuft nicht ganz so, wie Robert es erwartet hat. Es war ein Fehler, nicht anzurufen. »Tut mir wirklich leid, ich war in den ersten Wochen sehr unorganisiert ... und dann auch noch das mit der Grippe ...«
»Das nächste Mal erwarte ich, dass Sie entweder auftauchen oder rechtzeitig um eine Verschiebung bitten.«
»Natürlich.« Robert hebt die Mundwinkel.
»Und wo genau waren Sie in dieser Zeit? In Ihrer Eigentumswohnung in Marburg?«
Achtung, Falle!, signalisiert Roberts Instinkt. Garantiert haben die Bullen nach der Entlassung versucht, ihn im Auge zu behalten. Das hat er in Kauf genommen.
»Gesund pflegen lässt man sich am besten von seinen Eltern – ich habe die Chance genutzt, diesen Kontakt wiederaufleben zu lassen«, behauptet Robert. Selbst wenn sie das nachprüfen und feststellen, dass seine Eltern nicht mal wissen, dass er entlassen worden ist ... die Justiz reagiert unglaublich langsam. Er hat mehrere Monate Zeit, bis irgendwelche konkreten Folgen zu erwarten sind.
Mehring macht sich eine Notiz. »Und sonst? Haben Sie schon wieder beruflich Fuß gefasst?«
Leute wie Mehring mögen es, wenn man optimistisch und tatkräftig daran arbeitet, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Kein Problem. »Ich habe schon mit einigen alten Kunden Kontakt aufgenommen, um neue Aufträge zu akquirieren. Bisher leider mit mäßigem Erfolg, aber das wird schon.«
»Gut. Ich drücke Ihnen die Daumen.« Doch Mehrings Blick gefällt Robert nicht, und tatsächlich, schon geht es zur Sache: »Haben Sie wieder Kontakt mit der Frau aufgenommen, mit der Ihr letztes Delikt zu tun hatte? Es gab da Beschwerden über einen Anruf aus der Justizvollzugsanstalt ...«
Robert nickt. »Das war eine Kurzschlussreaktion. Ich war sofort danach entsetzt über mich selbst.«
Es ist nicht mal komplett gelogen, der Anruf war wirklich ein Fehler. »Aber ich habe mich seither von ihr ferngehalten, ich will mein Leben schließlich nicht ruinieren.«
Dieser Mehring lässt nicht locker. »Waren Sie am derzeitigen Wohnort der Familie?«
»Nein, das habe ich vermieden«, sagt Robert. Hoffentlich hat Mehring keine anderen Informationen, sonst wird es knifflig. Ist sein Nummernschild von irgendwelchen Überwachungskameras erfasst worden?
Ein langes Schweigen. Mehring beobachtet ihn. Robert entspannt sich langsam wieder. Wenn der Kerl irgendwelche Beweise hätte, würde er sie jetzt auf den Tisch legen. Also weiß er nichts.
»Gnade Ihnen Gott, wenn Sie diese Leute wieder belästigen«, sagt Mehring schließlich grimmig.
Nur knapp kann sich Robert ein Lachen verkneifen. Gott? Der neigt nicht dazu, sich einzumischen.
»Sie finden das
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