Und keiner wird dich kennen
Leider ist das Guthaben schon wieder aufgebraucht und sie müssen sich verabschieden.
Beim Abendessen wirkt Lila seltsam – sie bemüht sich zwar, zu lächeln und den Auberginenauflauf zu loben, den Maja gekocht hat, doch irgendetwas stimmt nicht. Maja bekommt kaum einen Bissen herunter. Hat sie herausgefunden, dass ich mit Lorenzo gechattet habe? Hat Elias uns telefonieren hören? Oder – ein eiskalter Schauer überläuft sie – hat das irgendetwas mit Robert Barsch zu tun? Beim Gedanken daran, dass sie selbst ihm womöglich Anhaltspunkte geliefert hat in den letzten Tagen, scheinen sich die Auberginenstücke in ihrem Magen in Stein zu verwandeln.
»Alles klar?«, wagt Maja schließlich zu fragen, obwohl sie weiß, dass Lila vor Elias keinen großen Familienstreit vom Zaun brechen wird. In schweren Zeiten zusammenzuhalten, war ihr immer sehr wichtig.
»Nicht wirklich«, sagt Lila. Müde sieht sie aus. »Ich habe heute nur ziemlich oft mit dem Verlag und dem Agenten telefoniert.«
Maja ist unglaublich erleichtert, dass die schlechte Stimmung nichts mit ihr zu tun hat. »Wieso denn? Habt ihr euch nicht auf ein Honorar einigen können?«
»Doch, das schon, so richtig viel Geld bekommt man für so ein Buch leider nicht …«
»Das war dir doch vorher klar, oder?«
»Jetzt lass mich mal ausreden!« Lilas Stimme ist scharf. »Willst du jetzt wissen, was los ist, oder nicht?«
»Sorry«, sagt Maja und hält dann den Mund. Elias runzelt die Stirn und fragt: »Wollen sie dein Buch jetzt doch nicht drucken?«
Lila legt ihre Gabel beiseite, obwohl ihr Teller noch halb voll ist. »Wahrscheinlich schon, mein Schatz. Aber sie verstehen nicht, warum es auf dem Buch und in der Vorschau – so heißt die Ankündigung neuer Bücher – kein Bild von mir geben darf. Außerdem kann ich ja keine Lesungen machen und Interviews geben.«
»Shit.« Das hatte Maja vollkommen vergessen. »Stimmt. Wenn er zufällig das Bild sieht und deinen neuen Namen dazu …«
»Sie meinen, dass ich ihnen das Marketing für Ring aus Dornen sehr schwer machen würde, und eigentlich sei es so kaum möglich, ein Buch im Handel durchzusetzen.« Lila stützt den Kopf in die Hände. »Jetzt habe ich Angst, dass die einen Rückzieher machen, weißt du?«
Tröstend streichelt Elias ihr den Arm und auch Maja drückt ihre Mutter an sich. Sie würde die blöde Bemerkung von vorhin am liebsten in ihren Mund zurückrufen.
Dieses ewige Verstecken, sie ist es schon jetzt unglaublich leid. Und doch muss es weitergehen – für immer. Maja ist sich nicht mehr sicher, ob sie das durchhalten werden.
Sie hat das scheußliche Gefühl, dass ihr neues Leben gerade dabei ist, sich an den Rändern aufzulösen.
TEIL 3
Im Fadenkreuz
Wahrheit
Maja hat ein schlechtes Gewissen. Durch Lorenzo hat sie ihre neuen Freunde hier vernachlässigt und nicht mehr versucht, sich in Olching einzuleben. Sie hängt in der Schwebe, ist weder richtig hier noch wirklich dort.
Ben und sie gehen sich weiterhin aus dem Weg, obwohl sie sich besser mal aussprechen sollten. Und mit Stella hat sie sich seit einer Woche nicht mehr nach der Schule getroffen. Maja vermisst ihre Energie, ihre durchgeknallten Ideen, ihre Herzlichkeit. Auf keinen Fall will sie Stella verlieren!
In einer der nächsten Pausen fängt sie Stella vor dem Kiosk ab, versucht, ganz locker zu wirken. »Hey, du, wie wär’s, wenn wir mal wieder was unternehmen?«
Stella mustert sie abschätzend. »Okay. Aber ich entscheide, was wir machen.«
»Gut«, sagt Maja sofort, auch wenn das ein Risiko ist – wer weiß, was Stella neben der Easy-Rider-Nummer noch so in petto hat!
Aber auf das, was sie dann wirklich machen, wäre Maja in tausend Jahren nicht gekommen. Sie stapfen einfach durch die Amper-Auen, schmale Waldpfade entlang zwischen den kahlen Stämmen. Der Boden ist gefroren und Stellas Atem malt Wolken in die Luft. Eine Weile gehen sie wortlos. Fast keine anderen Spaziergänger sind unterwegs.
»Toll – ganz viel frische Luft«, murmelt Maja ohne Begeisterung und zieht sich den Schal über ihre gefrierende Nase.
»Ja«, sagt Stella. »Und keine fremden Ohren. Das heißt, wir können jetzt ganz in Ruhe Klartext reden.«
»Klartext? Was meinst du damit?« Es ist ein letzter Versuch, Zeit zu gewinnen, denn Maja ahnt schon, was jetzt kommt.
»Man könnte es auch Wahrheit nennen.« Stella wendet den Kopf, um Maja anzusehen; ihre klaren grünen Augen blicken forschend. »Sorry, aber ich nehme
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